Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 119. Sitzung / 52

arbeiten: Sind Sie denn zufrieden, daß Lehrlinge nicht einmal in der Sommerzeit bis 11 Uhr nachts beschäftigt sein dürfen? Sind Sie damit zufrieden? - Anscheinend schon; jedenfalls haben Sie diesbezügliche Anträge der Liberalen abgelehnt.

Der zweite Grund, den die Wirtschaftskammer angeführt hat - ich glaube, es war der zweitwichtigste -, ist eine echte Kostensenkung. Diese erreichen wir nicht durch einen einmaligen Absetzbetrag von 20 000 S im ersten Lehrjahr, wofür wir überdies die von den Arbeitgebern finanzierte Allgemeine Unfallversicherungsanstalt ausräumen müssen. Hierfür brauchen wir - ich sage es zum wiederholten Male von dieser Stelle aus - eine lohn- und sozialrechtliche Entkoppelung von schulischer und betrieblicher Ausbildungszeit. Das führt zu einer echten Kostenentlastung, und - weil ich hier die Ausbildungsqualität heute schon angesprochen habe - das bietet uns die notwendige Flexibilität, um den schulischen Anteil ausweiten zu können und neue Inhalte in den Bereichen Kommunikation, EDV und Fremdsprachen aufnehmen zu können.

Wenn wir es ernst meinen, daß wir die jungen Menschen im Rahmen einer dualen Ausbildung auf den Arbeitsmarkt von morgen vorbereiten wollen, dann werden wir auch neue Ausbildungsinhalte brauchen, die die notwendige Mobilität auf dem Arbeitsmarkt sicherstellen. Das geht nicht in acht Wochen, dessen bin ich mir bewußt. Daher brauchen wir hierfür eine Ausweitung der Berufsschulzeit. Das darf aber nicht zu Lasten der Lehrbetriebe und nicht auf deren Kosten gehen.

Diese Flexibilisierung bietet uns einen weiteren Vorteil. Wir könnten den schulischen Anteil innerhalb verschiedener Ausbildungsmodelle soweit ausdehnen, daß darin - bei entsprechender Verlängerung der Lehrzeit - eine Berufsreifeprüfung integriert wäre. Wir könnten damit also höhere Bildungsziele anstreben. Dann würde die Wirtschaft nicht mehr beklagen müssen - das ist auch einer der wesentlichen Gründe für die Einstellung im Ausbildungsbereich -, daß sie zuwenig qualifizierte Bewerber und Bewerberinnen findet. Bei den Chancen, welche die duale Ausbildung derzeit bietet, werden so gut wie alle leistungsfähigen jungen Menschen ins schulische Ausbildungssystem abgleiten.

Herr Kollege Feurstein! Für die Qualität eines Ausbildungssystems reicht es nicht aus - auch das sage ich hier zum wiederholten Male -, daß Auszeichnungen vergeben und Berufsolympiaden gewonnen werden. Ich denke, wir müssen darauf achten, wie hoch die Ausbildungsqualität insgesamt ist. Wenn wir zu diesem Zweck die Arbeitsmarktdaten ansehen, sehen wir, daß diese leider sehr bedauerlich sind. Wenn wir die Qualität nicht verbessern, wenn wir nicht Ausbildung und Bildung im allgemeinen in den Vordergrund stellen, sondern nur mehr eine Unterbringung um Milliarden Schillinge, dann werden wir die arbeitslosen jungen Menschen der Zukunft produzieren. Wenn Sie das verhindern wollen, sage ich Ihnen: Es ist jetzt schon fünf Minuten nach zwölf! (Beifall beim Liberalen Forum.)

21.04

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Tichy-Schreder. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. - Bitte.

21.05

Abgeordnete Ingrid Tichy-Schreder (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Frauen Bundesministerinnen! Meine Damen und Herren! Es fügt sich sehr gut, daß ich nach Frau Abgeordneter Schaffenrath das Rednerpult sozusagen erklimmen konnte. Denn ich kann Ihnen eines sagen, Frau Kollegin - und das wissen Sie auch -: Wir sind, was die duale Berufsausbildung betrifft, in vielen Bereichen sehr weitgehend einer Meinung. Wir haben nur verschiedene Ansatzpunkte.

Ich kann Sie gleich zu Beginn beruhigen: Wir sind mit dem, was vereinbart wurde, noch lange nicht zufrieden. Aber Sie müssen auch wissen, daß die Dinge in der Politik einige Zeit dauern. Sie sind noch nicht so lange wie ich in der Politik, aber es beruhigt mich ebensowenig wie Sie, daß manches immer noch länger dauert. (Abg. Schaffenrath: Und die jungen Leute schon gar nicht!) Man muß jedoch die guten Ansätze sehen und erkennen, daß der richtige Weg gegangen wird.


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