Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 120. Sitzung / Seite 31

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Heute gibt es bereits Thesen, die besagen, daß auch die regionale Sicherheit, wenn sie von der UNO gebilligt wird, Vorrang vor den Wirkungen des Neutralitätsgesetzes um militärische Konflikte hat. (Abg. Scheibner: Da bleibt aber vom sicherheitspolitischen Aspekt nicht mehr viel übrig!) Richtig! Heute wird in einem ständigen Prozeß in Phasen über eine Änderung des Neutralitätsbegriffs – man kann auch Abwertung sagen, je nach dem, wie man das sieht – diskutiert. Das hat es auch früher teilweise gegeben – ich nenne nur die Neutralität von 1918 bis 1938 –, aber nie in einem Ausmaß wie heute. Da gibt es substantielle Veränderungen!

Trotzdem kann man nicht sagen, daß es Opportunismus ist, wenn man sich dieser Sache anpaßt. Auch in der praktischen Politik, als wir den Brief zum Beitritt in die Europäischen Union überreicht haben, war die Frage nach einem Vorbehalt zwecks Sicherung der Neutralität sicherlich aktuell. Vier, fünf Jahre später hat kein Mensch mehr danach gefragt, es gab ein anderes Verständnis dafür. Das Leben hat seine Dynamik. Wichtig ist, daß man das nicht opportunistisch im Sinne der eigenen Thesen mißbraucht, sondern daß man so wichtige Fragen möglichst konsensual behandelt.

Kollegin Kammerlander! Ich möchte hier auch sehr deutlich etwas zu Cavalese sagen. Es ist bedauerlich, furchtbar für die Familien, aber wenn Sie sagen, wenn wir diesem Übereinkommen zustimmen, riskieren wir auch solche Vorfälle, dann muß ich Ihnen sagen: Immer riskieren wir Gefahren. Aber um das größte Risiko, den größten Schaden zu vermeiden, wollen wir ja ein Sicherheitskonzept, das in der Praxis auch wirklich wirkt. Wir streben ja die Mitgliedschaft in diesen Organisationen deshalb an, weil wir keinen Krieg, keinen militärischen Konflikt wollen, keine Vertriebenen in unserem Land wollen, keine Flüchtlinge wollen, weil wir eine gewisse "Wagenburg"-Unterstützung haben wollen, Kollege Gusenbauer.

Ich wäre froh gewesen, wenn wir 1938 diese "Wagenburg" gegen die damalige Annexion beziehungsweise Okkupation Österreichs gehabt hätten. Wir haben sie nicht gehabt. (Beifall bei der ÖVP sowie Beifall des Abg. Mag. Peter. )

Ich war immer ein großer Bewunderer des englischen Parlaments. Mit einer Mehrheit von 366 zu 144 Stimmen wurde damals das Münchner Abkommen gebilligt – im Parlament mit der größten demokratischen Tradition –, ein Abkommen, das praktisch alles zur Kenntnis genommen hat, was 1938 mit uns passiert ist, mit der Tschechoslowakei und vielen anderen Ländern auch. Ich glaube, wir sollten daraus lernen, daß auch ein kleiner Schritt oft große Wirkung haben kann, und das sollen wir auch in Zukunft so handhaben. Das kann für unser Land nur gut sein. (Beifall bei der ÖVP, bei Abgeordneten der SPÖ, der Freiheitlichen und des Liberalen Forums.)

10.42

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort gelangt der Herr Bundesminister. – Bitte.

10.42

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Präsident! Hohes Haus! Zunächst bin ich dankbar für die wirklich qualitätsvolle Diskussion und Debatte. Es wurden einige Fragen aufgeworfen, zu denen ich gerne Stellung nehmen möchte.

Das erste – und es ist, glaube ich, wichtig, dies festzuhalten –: Dies ist kein vorweggenommener Beitritt zur NATO. Niemand beabsichtigt das, ich am allerwenigsten. Ich kämpfe für eine ehrliche und offene Diskussion, und jeder kann sicher sein, daß die Diskussion nicht über die Hintertür oder über irgendwelche verfassungsrechtlichen Fußangeln geführt wird. Dieses Abkommen hat einzig und allein einen Sinn: die Übungen für die "Partnerschaft für den Frieden" auf eine verfassungsrechtlich einwandfreie Basis zu stellen. Nichts anderes. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Dieses Abkommen basiert auf bewährten Regeln. Natürlich sieht das NATO-Truppenstatut mehrere Möglichkeiten vor. Es gilt für dauerhafte Stationierungen, es gilt für Übungen. Für uns kommen natürlich aufgrund der Definition keine dauerhaften Stationierungen in Frage. Wir schließen uns wie alle anderen Partner für den Frieden auch einem Abkommen an, das technisch, juristisch, politisch alle vorhersehbaren Begleitumstände regelt, die man sich einfallen lassen kann, im Sinne der Rechtssicherheit.


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