Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 120. Sitzung / Seite 61

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mokratien – halten wir derartig weitreichende Immunitäten und Privilegien für überzogen. Diese Regelungen gehen unserer Meinung nach in die falsche Richtung. Deshalb können wir diesen beiden Regierungsvorlagen nicht zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.49

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Schwimmer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

12.49

Abgeordneter Dr. Walter Schwimmer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mein Vorredner, Abgeordneter Scheibner, übersah in seiner Kritik, daß sich die sogenannten Vorrechte und Immunitäten an den normalen diplomatischen Usancen orientieren. Es geht hier um Personen, die im Dienste internationaler Organisationen europaweit tätig sind, die also durchaus mit Diplomaten, die bilateral tätig sind, vergleichbar sind.

Abgeordneter Scheibner hat auch gemeint, er sehe es nicht ein, warum das etwa bei den Richtern auch für deren Familienangehörige gelten solle. Dazu ist zu sagen: Es sind die Menschenrechtsstandards leider immer noch nicht in allen europäischen Ländern, auch nicht in den Mitgliedstaaten des Europarates, gleich beziehungsweise gleichwertig. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte soll ja für die Durchsetzung der Menschenrechte in allen Mitgliedstaaten des Europarates sorgen, und da ist es auch wichtig, daß nicht etwa durch willkürliche Maßnahmen gegen Familienangehörige Druck auf einen Richter ausgeübt werden kann. Wenn etwas vorfällt, was eine behördliche oder gerichtliche Verfolgung rechtfertigt, ist auch in diesem Verfahren natürlich dafür vorgesehen, daß es zu einer Quasiauslieferung, zur Ermöglichung der Verfolgung kommt. Das ist auch im Vertrag so geregelt, aber das hat Kollege Scheibner nicht erwähnt. (Zwischenruf des Abg. Böhacker. )

Man kann über die Steuerfreiheit natürlich diskutieren. Übersehen Sie aber eines nicht: Der Europarat muß wie alle anderen internationalen Organisationen seine Bediensteten nach einem Schema bezahlen, egal, in welchem Land der Mitarbeiter tätig ist.

Daher müßte man auf die unterschiedlichen Steuersätze Bedacht nehmen. Die internationalen Organisationen gehen daher so vor, daß sie die Steuerfreiheit bei der Festsetzung der Gehälter von vornherein berücksichtigen, und die Bediensteten kommen dann auf die gleichen Nettobezüge, egal, in welches Land sie geschickt werden. Das sind in Wahrheit keine Privilegien, sondern das ist das Herstellen von Gleichwertigkeit und Gleichheit.

Meine Damen und Herren! Diese Debatte bietet mir die Gelegenheit, etwas Grundsätzliches zu sagen, zumal auch das Datum günstig ist. Vor fast genau 50 Jahren, ein paar Tage mehr als vor 50 Jahren, hat in Den Haag der Europakongreß stattgefunden, bei dem mehrere paneuropäische Initiativen und Gruppierungen – Winston Churchill hat auf diesem Kongreß eine führende Rolle gespielt – die Einigung Europas gefordert haben, den Zusammenschluß der europäischen Demokratien zu einer gemeinsamen Organisation, und die Schaffung eines Menschenrechtsinstrumentes, eines Gerichtshofes, bei welchem die Bürger der Mitgliedstaaten direkt Recht finden können, und zwar supranational auf europäischer Ebene. Im Jahre 1948 – von 7. bis 10. Mai 1948 fand der genannte Europakongreß in Den Haag statt – war das eine Vision, heute ist es eine Selbstverständlichkeit, heute ist es Wirklichkeit geworden. Und wenn vom November an der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte mit den hauptamtlichen Richtern tätig wird, was ja der Grund war, warum dieses Abkommen jetzt ratifiziert werden soll, dann ist das wirklich die vollständige Erfüllung der Vision von 1948, der Vision vom Europakongreß in Den Haag.

Es ist damit ein vollständiges Territorium der demokratischen Sicherheit der Menschenrechte geschaffen worden, nachdem nun auch Rußland ratifiziert hat und daher auch Rußland unter die Gerichtsbarkeit des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte fallen wird. Dieser Gerichtshof wird für alle 40 Mitgliedstaaten des Europarates zuständig sein. Das hat im Jahre 1948 wirklich niemand zu träumen gewagt, daß das eines Tages eintreten wird, noch zu Lebzeiten mancher, die am Europakongreß im Jahre 1948 teilgenommen haben.


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