Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 121. Sitzung / 20

angekündigt wurde, ob das eine Verwaltungsreform war, wiewohl wir jetzt ein AVG-Neu beschlossen haben: Von Verwaltungsreform kann trotzdem keine Rede sein.

Die Überschrift für all das wäre der Rückbau des Staates, den auch Sie versprochen haben. Sie wissen, es ist eine alte Leier, und mich wundert es nicht, daß hier so wenige zuhören, weil wir das alles schon kennen. Nur: Es ändert sich nichts daran, daß wir in Österreich im Vergleich mit den anderen europäischen Staaten die geringste Selbständigenquote haben. In den anderen Ländern sind es im Schnitt 11 Prozent, wir haben 7 Prozent. Und wir wissen - und auch das ist ein alter Hut -, daß der bürokratische Aufwand jenes Argument ist, das von 33 Prozent potentieller Unternehmerinnen und Unternehmer als entweder abschreckend oder jedenfalls als ein Argument für die schlechte Standortqualität Österreichs, die in diesem Zusammenhang sehr wohl besteht, genannt wird. Es gibt Branchen, in denen der bürokratische Aufwand - wenn Sie ihn errechnen, werden Sie es glauben - pro Mitarbeiterin oder Mitarbeiter auf 83 000 S pro Jahr kommt. Das ist unzumutbar!

Für mich ist nicht alles, was aus Europa kommt, sakrosankt, und Sie wissen ganz genau, daß wir als engagierte Europäerinnen und Europäer sehr viel Kritik anzubringen haben. Aber in diesem Zusammenhang muß ich sagen: Die Kritik der EU-Behörde ist durchaus berechtigt, wenn sie sagt, sie erkennt in Österreich - zugegebenermaßen auch in Deutschland - keine neuen Ansätze im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit.

Wenn Sie davon reden, daß es neue Berufschancen im Sozial- und Gesundheitsbereich geben soll, dann klingt das sehr schön. Aber wenn wir nicht wissen, wer es zahlt und wie es umgesetzt werden soll, dann halte ich davon nichts, denn selbst Dinge, die Sie näher konkretisiert haben, haben Sie nicht eingehalten. Wenn von der Aus- und Weiterbildung die Rede ist - dem Schlüssel gegen die Arbeitslosigkeit - und vom Lehrlingspaket - es wurde erst unlängst darüber diskutiert -, so hat das für mich deswegen keinen Stellenwert, weil es zu Lasten anderer geht, und zwar zu Lasten der Langzeitarbeitslosen und zu Lasten der Frauen. Das heißt, es ist eine Loch-auf-Loch-zu-Politik, und mit einer solchen Politik kann man sich bei Gott nicht rühmen.

Daß wir - und das ist ja besonders bemerkenswert - in Österreich dennoch eine der höchsten Sozialquoten haben, ist nichts, was mich erschrecken würde - im Gegensatz zum Herrn Klubobmann Khol, den es offenbar sehr erschreckt -, wenn der Effekt ein richtiger wäre, wenn wir damit mehr soziale Gerechtigkeit herbeiführen könnten, wenn wir damit mehr Sicherheit, mehr soziale Sicherheit für die Mitbürgerinnen und -bürger in diesem Lande herbeiführen könnten. - Ich sage: Mitbürgerinnen und -bürger, was nicht Staatsbürger heißt. Ich hoffe, daß das verstanden worden ist.

Wenn das also in diesem Zusammenhang erreicht würde, dann würde mich ja die Höhe dieser Sozialquote nicht irritieren. Sie irritiert mich aber deswegen, weil dieser Effekt eben nicht eintritt, und dem kann man nicht begegnen, indem man eine Sozialschmarotzerdebatte der übelsten Art - weil nämlich im Mantel der Christdemokraten - führt. Der Abgeordnete Khol hat erklärt, daß der Mittelstand nicht mehr bereit sei zum "Durchfüttern". - So sollte man einer solchen Fehlentwicklung wahrlich nicht begegnen! Das Gegenteil ist jedoch der Fall. Sie finden nur schönere Worte als eine andere Fraktion, aber es gehört nicht viel dazu, die besseren Worte zu finden. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Sie können aber dieser Problematik auch nicht begegnen, indem Sie das beschließen, was Sie gestern beschlossen haben, nämlich wieder ein völlig falsches Transfermodell, mit dem Sie wieder keine Treffsicherheit haben, was die Unterstützung von Familien betrifft - und das interessanterweise noch dazu von einer Partei, die immer glaubt, daß sie die Eigenverantwortung als politischen Grundsatz für sich gepachtet hat, aber noch nichts davon in die Politik umgesetzt hat.

Wir sind beim Kapitel oberste Organe, und daher wiederhole ich in diesem Zusammenhang meine Forderung, daß im Verfassungsgerichtshof eine Dissenting opinion eingeführt wird. Dann hätten wir nämlich eine ganz andere Argumentationsgrundlage gehabt für eine Neuordnung der


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