Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 123. Sitzung / Seite 99

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

ge Bevölkerung als auch die österreichische, als auch die Bevölkerung unserer Nachbarstaaten, als auch Westeuropa.

Mochovce ist der Präzedenzfall schlechthin. Es ist das erste Kernkraftwerk, das eine Kombination von westlicher und östlicher Technologie, von russischer Bauart mit französisch-deutscher Nachrüstung darstellt. Dieses Premiere- und Pilotprojekt soll mehr oder weniger zielführend und beispielhaft vor Augen führen, daß es möglich ist, osteuropäische Kernkraftwerke auf westeuropäische Sicherheitsstandards zu bringen. Das ist die Bedeutung von Mochovce.

Und jetzt, in dieser Situation, schreit ein international anerkannter Experte aus einer international renommierten Expertenkommission von 22 Mitgliedern: Feuer am Dach!, ein GAU kann in sechs Jahren drohen. Es ist höchste Zeit, daß wir die Notbremse ziehen, die Aktivierung darf nicht vorgenommen werden. Es ist nicht verantwortbar, dem Kernkraftwerk Mochovce ein Attest nach westlichen Sicherheitsstandards zu geben. – Jetzt, in dieser Situation, ein Hilfeschrei, jetzt, in dieser Situation, eine hektische Atompolitik der Bundesregierung, die mehr oder minder vor vollendeten Tatsachen steht.

Die Tatsachen sind: Mochovce wurde im Vergleich zu 1994 und 1995 in manchen Bereichen verbessert. Die Tatsachen sind: Es gibt zwei souveräne Staaten, es gibt internationale Vereinbarungen, und es gibt keine international verbindlichen Richtlinien, die Sicherheitsstandards deutlich machen.

Vor diesem Hintergrund und angesichts der Hilflosigkeit der österreichischen Bundesregierung, die zwar auf EU-Ebene interveniert, die zwar Noten absendet, die Eilbriefe schickt, die hektisch telephoniert, die 14 Außen- und Umweltminister in den europäischen Mitgliedstaaten auch auf Vordermann bringen will, die jetzt Allianzen sucht, die sich seit Ende April mehr oder minder hilferufend und hilfeheischend in Europa bewegt und in Österreich nur auf Druck der Medien jetzt zu den letzten Möglichkeiten zu greifen versucht, vor diesem Hintergrund also ist zu bewerten, was die österreichische Atompolitik bis jetzt versäumt hat, daß es soweit kommen konnte.

Daß wir uns jetzt in dieser Situation befinden, hat meines Erachtens, hat unseres Erachtens nach und auch nach Ansicht vieler Experten die Ursache darin, daß die österreichische Atompolitik und Anti-AKW-Politik erstens auf das falsche Pferd gesetzt hat, nämlich auf Sicherheitsstandards, statt – das wäre das richtige Pferd gewesen – auf Ausstieg, auf Stillegung, auf alternative Energieformen. Österreich hat nicht rechtzeitig – ich werde das später noch ausführlich dokumentieren; ich nenne jetzt nur einmal die Jahre 1994/95 – das richtige Pferd ins Rennen geschickt. (Beifall bei den Grünen.)

Die österreichische Bundesregierung, Sie, Herr Bundeskanzler, setzten mit Ihrer Atompolitik auf das falsche Pferd, das da heißt: Sicherheitsstandards. Damit haben Sie sich in eine atompolitische Sackgasse begeben, und ich darf kurz erklären, warum.

Es gibt international keine klaren und deutlich deklarierten, mehr oder weniger nach Ö-Norm oder UNO-Norm abgesicherten Sicherheitsstandards. Es gibt Varianten und Normen nach westlicher Art, es gibt sie nach östlicher Art, aber es gibt keine fixen Kriterien, es gibt keine klare Latte, es gibt kein klares Meßglas, wo es dann heißt: Das ist der Sicherheitsstandard, den wir uns auf jeden Fall leisten müssen. Mit Ihrer Betonung der Sicherheitsstandards haben Sie sich praktisch in die falsche Gasse locken lassen.

Unseres Erachtens haben Sie zweitens dann noch dazu das Pferd vom Schwanz her aufgezäumt: Sie haben nicht darauf hingearbeitet, daß, nachdem bereits 1990 das AKW Bohunice als Risikofaktor schlechthin, als atomare Bedrohung ersten Ranges bezeichnet worden ist, nachdem Herr Professor Kromp, der unter den Experten jetzt die maßgebliche Arbeit leistet, 1990 im Zusammenhang mit Bohunice mehr oder weniger den atomaren GAU an die Wand malte, Bohunice sofort geschlossen wird und daß es Alternativszenarien gibt, daß es Geld von der EU gibt, umzurüsten, auszusteigen, einen anderen energetischen Weg einzuschlagen. Das haben Sie verabsäumt. Sie haben, wie schon gesagt, noch dazu das falsche Pferd vom Schwanz her aufgezäumt, und – und das ist das allerschlechteste – Sie haben es, drittens, in die falsche Richtung galoppieren lassen.


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite