Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 123. Sitzung / Seite 100

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Was meine ich damit? Die falsche Richtung hat geheißen: Jetzt warten wir ab, was die Experten sagen! Damit haben Sie sich von vornherein einem Gutachterstreit ausgeliefert. Denken Sie daran: Schon 1990 war klar, daß die östliche Technologie, daß die russische Technologie bei Bohunice zu einem GAU führen kann. Jetzt, 1998, ist das Resultat Ihrer Atompolitik, daß das AKW Bohunice in Betrieb bleibt, daß nicht abgeschaltet, daß nicht umgerüstet wird, daß zwar Millionen oder teilweise Milliarden in die Verbesserung der Sicherheitsstandards investiert worden sind, aber es ist seitens der slowakischen Regierung nicht mehr die Rede davon, das Versprechen einzuhalten, das AKW Bohunice abzustellen. – Das ist das Ergebnis dieser Ihrer Atompolitik gewesen.

Ich darf noch ein weiteres Element aufzählen: Es hat in den neunziger Jahren unter Kanzler Vranitzky sehr wohl die Parole und die Devise und das Leitbild eines AKW-freien Mitteleuropa gegeben. Sie haben dieses Leitbild eines AKW-freien Mitteleuropa sanft umgerüstet, umgesattelt in Richtung AKW mit Sicherheitsstandards. Wir wollen Sicherheitsnormen haben – ich darf Sie zitieren; bei der Sondersitzung vom 13. März haben Sie das so ausgedrückt –, wir wollen eine "realistische Atompolitik" betreiben. – Diese "realistische Atompolitik" hat uns genau in diese Sackgasse geführt, in der wir uns jetzt leider befinden: Sicherheitsnormen, Sicherheitsstandards werden einfach ignoriert: von benachbarten Elektrizitätsunternehmen, von benachbarten Regierungen, von der Slowakei, von Me#iar und von der slowakischen Elektrizitätsgesellschaft. Ein weiteres Faktum: Sie haben von uns Grünen immer wieder Prüfberichte übermittelt bekommen, die ganz deutlich auswiesen, daß die Sicherheitsstandards in Mochovce bei weitem nicht erreicht werden. Ich zitiere hier Prüfberichte aus den Jahren 1987 bis 1993 – bitte, das sind Prüfberichte der eigenen, der slowakischen Atombehörde. Das eigene behördliche Kontrollinstrumentarium hat immer wieder die Defizite aufgelistet, was Sie aber nicht gewarnt, was nicht dazu geführt hat, sich für den Ausstieg, für den Umstieg, für alternative Szenarien einzusetzen.

Was deklarieren und was attestieren diese Prüfberichte von 1987 bis 1993? – Beschädigungen während Montage von Dampferzeugern und Notkühlsystemen nur teilweise beseitigt; Programme zur Qualitätserstellung nicht erfüllt; grobe Mängel bei der Lagerung rostfreier Materialien für Notkühlsystem, Hauptkühlmittelleitung und Hauptumwälzpumpen (1988); unzureichende Fachtüchtigkeit der Qualitätskontrolleure (Geldstrafen bis zu 40 000 – damals noch Tschechische Kronen); Mängel bei der Durchführung der Kontrollschweißnähte am Boden des Brennelementkorbes in Block I, Stromverteiler auf den Notwarten ohne Qualitätssicherung erstellt; Mängel während Transport und Montage von Einrichtungen im Reaktorgebäude (Geldstrafe wegen nur teilweise beseitigter Mängel); Kabel infolge schlechter Lagerung mechanisch beschädigt (1990); kein Programm zum Schutz der bereits installierten Anlagen (1991); großflächige Korrosion im Bereich beider Blöcke (Geldstrafe); Mängel während Schweißungen des Primärkreislaufes; keine Dokumentation von Prüfungen der zu schweißenden Flächen; unzureichende Programme zur Qualitätssicherung importierter Kabel (1992); Korrosion an 16 Prellelementen; Qualitätskontrolleure haben unzureichende Ausbildung und Kenntnis der Vorschriften; trotz Verbots aufgrund mangelhafter Dokumentation Montage des Steuersystems.

Das, was uns jetzt sozusagen als großes Sicherheitsproblem hingestellt wird, das Material des Druckbehälters, ist seit 1987 als "Mangelerscheinung", als "mangelnde Kontrolle", als "fehlerhafte Installation" et cetera dokumentiert. Das wußten Sie, das haben wir Ihnen jährlich vorgelegt, und trotzdem haben Sie darauf gesetzt, daß diese Mängel beseitigt werden.

Es läßt sich ja diese Liste der versäumten Gelegenheiten noch weiter fortführen. Es gab dann die große Unterschriftenaktion 1994/95, bei der 1,2 Millionen Österreicherinnen und Österreicher ihrer Angst Ausdruck verliehen haben, indem sie forderten, daß Mochovce nicht in Betrieb geht, daß Bohunice stillgelegt wird. Sie haben dann auf internationalen Druck hin, mit internationaler Zusammenarbeit, den EBRD-Kredit gestoppt, gestoppt, daß das AKW Mochovce weitergebaut wird, die finanzielle Möglichkeit eingeschränkt, den Finanzhahn abgedreht.

Aber – und das ist ganz, ganz wesentlich! – Sie haben zu diesem Zeitpunkt, 1994/1995, keine Kehrtwende in der Energiepolitik der Slowakei durch ein großzügiges finanzielles Angebot ermöglicht. Das wäre die Möglichkeit schlechthin gewesen! Das wäre die Chance gewesen, den Slowaken ein großes, ernstes, fachlich kompetentes Energieszenario vorzuschlagen, basierend


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