Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 124. Sitzung / Seite 51

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

rungsschritte mit Beitrittskandidaten erfolgen werden, sind momentan reine Spekulation, denn viel mehr können wir der Problemlösung dienen, wenn wir uns mit den Voraussetzungen des erfolgreichen Erweiterungsprozesses beschäftigen.

Da gibt es drei Bereiche: neben dem Zeitpunkt auch noch die möglichen Mechanismen und die Finanzierungsgrundlagen, die ebenfalls selbstverständlich von besonderer Wichtigkeit sind.

Zum Zeitpunkt und zu den Mechanismen ist festzustellen, daß die 15 Mitgliedsländer der Europäischen Union den Beitrittskandidaten einige klare Prinzipien vorgegeben haben. Eines dieser Prinzipien für den möglichen Beitritt ist, daß der Acquis communautaire vor dem Beitritt in den beitrittswilligen Ländern umgesetzt werden muß. Wenn man sich für diese Entwicklung interessiert, dann kann man in den Ländern unterschiedliche Voraussetzungen und Schwierigkeiten und Hauptproblembereiche für die Umsetzung des Acquis communautaire sehen.

Unser Nachbarland Ungarn, ein sehr hoffnungsfroher Beitrittskandidat, hat am vergangenen Wochenende Wahlen gehabt, und wir wissen, daß zum Beispiel die Mobilität des Grundverkehrs und Ausländergrundbesitz eine sehr sensible Frage der ungarischen Innenpolitik darstellen. Jeder, der meint, das parteipolitisch, aus ideologischen Gesichtspunkten betrachten zu können, nähert sich dieser Frage sehr oberflächlich. – Wenn man sich mit dieser Frage auseinandersetzt, dann weiß man, daß die Ungarn selbst noch Zeit brauchen werden, um diese Fragen zu lösen.

Wenn der polnische Außenminister vor kurzem gemeint hat, vor dem Jahr 2005 könne man es sich in Polen selbst schwer vorstellen, formell den Beitritt umzusetzen, dann sollten wir diese Spekulationen um den Zeitpunkt weglassen und viel mehr über die Mechanismen, den schrittweisen Beitritt und die Finanzierungsgrundlagen diskutieren. Auch da gibt es genügend Diskussionspunkte, meine geschätzten Damen und Herren!

Die österreichische Bundesregierung hat die Grundlinie der Europäischen Kommission und des Rates voll mitgetragen, daß 0,11 Prozent des BIP bereitgestellt werden, um in den nächsten Jahren die Vorbereitung für den Beitritt zu finanzieren. Es wird mancherorts kritisiert, das wäre zu viel. Wenn man die hohen Anforderungen dieser wichtigen historischen Aufgabe für Europa unter Umständen in kleine Gemeinschaften bis in die Familien "herunterbricht", dann möchte ich sagen, 0,11 Prozent des BIP sind etwas, was uns fordern wird. Aber wenn wir das nicht können, wenn das unvertretbar wäre, dann sollten wir auch den Mut haben, nicht ständig von guter Nachbarschaft zu reden, denn 0,11 Prozent für eine derart wichtige Aufgabe zu investieren, ist wahrscheinlich der notwendige Beitrag, um gute Nachbarschaft zu entwickeln und einem Grundprinzip Rechnung zu tragen, das uns auch – ich glaube übereinstimmend – bei den Erweiterungszielen verbindet.

Es muß uns gelingen, diese Erweiterung so zu gestalten, daß beiden Seiten Vorteile erwachsen, auf beiden Seiten Wohlstandsgewinne erzielbar sind, auf beiden Seiten Europas mehr Sicherheit entsteht und wir dann, wenn der Beitritt vollzogen ist, davon ausgehen können, daß Europa insgesamt einen wichtigen Schritt getan hat, in der Welt seine Stellung zu behaupten und vielleicht auch noch einen Beitrag zu einer sehr positiven Entwicklung der gesamten Weltpolitik und Weltwirtschaft zu leisten.

Meine geschätzten Damen und Herren! Das spricht sich verhältnismäßig einfach, bringt aber doch manche Ängste und regt zu Überlegungen an, welche Veränderungen da nicht noch beschleunigt werden können und welche persönliche Herausforderung damit verbunden ist.

Ich persönlich glaube, daß wir eine sehr gute Orientierung haben, realistischerweise einzuschätzen, wie wir mit dieser Problemstellung fertigwerden können. Die Entwicklung unseres Landes nach dem Zweiten Weltkrieg hat gezeigt, daß in kürzester Zeit, wenn die Richtung stimmt, wenn Übereinstimmung da ist, wenn Lasten solidarisch geteilt werden, wenn partnerschaftlich gearbeitet wird – sowohl innenpolitisch als auch in der großen Gemeinschaft nach außen –, geradezu Unmögliches wahrgemacht werden kann. Die Erfolgsgeschichte Österreichs, das Wunder Österreich, könnte ein Beispiel dafür sein, wie wir in guter nachbarschaftlicher Soli


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite