Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 124. Sitzung / Seite 104

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Herr Bundesminister! Einige Worte zu Ihren Vorschlägen. Ich freue mich oft, wenn Sie Vorschläge machen – nur als Stichwort: die Vorschläge, die es seitens des Ministeriums bezüglich Scheidungsreform gibt –, und Sie haben auch meinen Respekt für die große Standfestigkeit – wohlgemerkt: bis jetzt –, die Sie an den Tag legen. Der patriarchalische Gegenwind bläst ja auch Ihnen ins Gesicht. Ich gehe aber davon aus, daß Sie sich nicht umdrehen und Ihre Meinung ändern.

Ich meine, daß das, was bisher an Vorschlägen vorliegt, nicht nur ernst zu nehmen ist, sondern wirklich ein maßgeblicher justizpolitischer Fortschritt wäre, würde es Gesetz werden. Manchem mag das vielleicht nicht als große Sache erscheinen, aber ich meine, es sind ganz wichtige Leitlinien für die zukünftige Entwicklung, daß die Aufgabenverteilung in der Ehe anders geregelt wird – das ist im wesentlichen etwas, was substantiell an das anknüpft, was in den großen Reformjahren der siebziger Jahre begonnen wurde, als es die ersten großen substantiellen Änderungen gegeben hat –, aber auch die Frage des Unterhalts nach Scheidungen.

Es ist allgemein bekannt, daß ich in der Vergangenheit massiv für die Abschaffung des Verschuldensprinzips Partei ergriffen habe – ich werde das auch in der Zukunft tun –, und ich halte Ihre Vorschläge hinsichtlich einer verschuldensunabhängigen Berücksichtigung schlechterer Verdienstmöglichkeiten zum Beispiel wegen Kindererziehung für einen wichtigen Schritt. Ich hoffe, daß Sie es jetzt sind, der Gas gibt. Ich meine, daß der bedarfsorientierte Unterhalt etwas ist, was wirklich dem Schutz des Individuums gilt und von dieser scheinheiligen Diskussion wegführt, daß man dort Institutionen schützt, wo man eigentlich Menschen schützen sollte. Das ist die Tendenz, die ich gerade bei der ÖVP orte.

Wenn es Vorschläge gibt, die von der wirtschaftlichen Knebelung der schwächeren Partner in Beziehungen, in dem Fall in der Ehe wegführen – in der Regel ist das die Frau, das wissen wir, deshalb ist das ein großes Anliegen der Frauen –, und diese wirtschaftliche Knebelung dann als "Schutz der Familie" zu verkaufen versucht wird, dann, meine Damen und Herren, spricht das wirklich für sich. Dazu gibt es sowieso keinesfalls unser Einverständnis, und wir werden nicht müde werden, uns für die völlige Abschaffung des Verschuldensprinzips einzusetzen, was ich für ein zukunftsweisendes Modell halte.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zum Schluß noch ein paar Worte zu einem neuen Kapitel, das auch zu diesem Komplex gehört – Stichwort: gemeinsame Obsorge. Das berührt mich emotional – auch deshalb, weil ich eine Frau bin und vor allem Frauen betroffen sind. Aber wenn es um die gemeinsame Obsorge geht, dann ist meine Geduld in dieser ganzen Diskussion schon längst am Ende. Denn, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich frage mich bei jenen, die für die gemeinsame Obsorge eintreten, immer, ob sie sich überlegt haben, wie solche Dinge in der Realität laufen.

Die Erfahrung zeigt doch, daß überhaupt nur jene Eltern, die aufgrund ihrer eigenen Konsensfähigkeit und ihres Verantwortungsbewußtseins gegenüber ihren Kindern die menschliche Qualität für eine gemeinsame Obsorge ihrer Kinder aufbringen, in Betracht zu ziehen sind, in den Genuß eines solchen Instruments zu kommen. Aber die brauchen es ja nicht! Sie haben es in der Vergangenheit nicht gebraucht, und sie werden es auch in Zukunft nicht brauchen. (Beifall bei den Grünen und bei der SPÖ. – Abg. Parfuss: Sehr richtig!)

Deshalb ist es so, daß das für diejenigen, die es schon in der Vergangenheit nach beziehungsweise trotz einer Scheidung geschafft haben, sich konsensual um das Wohl ihrer Kinder zu kümmern, absolut bedeutungslos ist. Aber, meine Damen und Herren, für jene, die all diese Qualitäten nicht haben, ist es auch bedeutungslos, denn sie kämen ja ohnedies nie in den Genuß dieser Regelung! – Jetzt frage ich mich: Für wen machen Sie das? Für wen überlegen Sie das?

Ich will nicht noch einmal auf die Frau Vorsitzende des Justizausschusses eingehen. Da könnten wir ja eine eigene Diskussion darüber führen, die es sicher hier auch noch geben wird. Aus all diesen Gründen und vor allem auch aus dem Grund – und da spreche ich jetzt wieder als Frau –, daß dieses möglicherweise oder hoffentlich nie in die Realität umgesetzte rechtliche


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