Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 127. Sitzung / 62

Kuratoriums aus Unwissenheit und/oder parteipolitischer Interessenlage die Arbeit der Geschäftsführung seit zwei Jahren - vorsichtig formuliert - nicht gerade unterstützt hat.'

Die Gründe für die Entscheidung des Generalintendanten des ORF widerspiegeln die Unfähigkeit der Regierung, medienpolitische Entscheidungen zeitgerecht zu treffen.

Bereits 1994 wurde dem damals neuen Generalintendanten des ORF von beiden Regierungsparteien zugesichert, daß es unverzüglich zu einer ORF-Reform kommen werde. Im Koalitionsübereinkommen 1996 wurde dazu folgendes festgeschrieben: ,Um den ORF auch in Zukunft unter der sich verschärfenden Konkurrenzsituation wirtschaftlich führen zu können, soll das Rundfunkgesetz geändert und die Rechtsform des ORF in eine AG umgewandelt werden, jedoch unter Wahrung des öffentlich-rechtlichen Auftrages.'

In den vergangen zwei Jahren hat vor allem die ÖVP ihre Vorstellungen, welche Rahmenbedingungen dem ORF zu geben seien, mehrmals geändert und auch dadurch die mehr als überfällige ORF-Reform unnotwendigerweise verzögert. Die Vorstellungen der SPÖ haben sich bisher auf Details wie das von Gerhard Zeiler geforderte ,Durchgriffsrecht des Generalintendanten' beschränkt. Ihre Definition der Aufgaben eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks in einer Medien- und Informationsgesellschaft ist sie bis heute schuldig geblieben.

Die sich oftmals widersprechenden Aussagen der Regierungsparteien machen deutlich, daß weder die SPÖ noch die ÖVP ernstzunehmende medienpolitische Konzepte verfolgen, sondern daß es einzig um die Fragen parteipolitische Einflußsicherung beziehungsweise Einflußsteigerung geht.

Am 27.1.1995 meinte ÖVP-Mediensprecher Wilhelm Molterer gegenüber der APA, daß ,der ORF in eine Aktiengesellschaft umgewandelt werden sollte (...) Damit könnte auch politischen Besetzungen entgegengearbeitet werden.' Am 11.7.1995 meinte derselbe, daß ,die Länder nach einem Einwohnerzahlen-Schlüssel am ORF beteiligt' werden sollten. Fast zwei Jahre später, am 20.2.1997, bestätigte Bundesminister Molterer nochmals die Position der ÖVP, daß ,eine AG die beste Rechtsform für die Umsetzung der Ziele' sei. Kurz vorher, am 7.2.1997 meinte Othmar Karas, daß die ÖVP zu Gesprächen ,über eine wirkliche Teilprivatisierung' bereit wäre und die vollständige Privatisierung eines TV- und eines Radio-Kanals für eine ehrliche Lösung hielte. Zuvor hatte der Salzburger Landeshauptmann Schausberger vorgeschlagen, man solle Privatunternehmen eine Beteiligung an ORF 2 ermöglichen.

Die mit der beabsichtigten ORF-Reform befaßten SPÖ-Politiker vertreten bis heute die Ansicht, daß die Rechtsform der Aktiengesellschaft die sinnvollste Variante für einen starken ORF darstellt, ohne dabei auch nur andeutungsweise ihre Vorstellungen über die zukünftige Positionierung eines starken öffentlich-rechtlichen ORF zu definieren.

Allerdings konnten sich die Regierungsparteien nie darüber einigen, wer die Anteile an einer eventuellen ORF-AG halten solle. Die ÖVP plädierte dafür, daß Bund und Länder je 50 Prozent der Anteile zugesprochen werden. Eine von der SPÖ aus ihrer Sicht nicht einmal zu diskutierende Variante. Diese Positionierungen zeigen einmal mehr, daß es den Regierungsparteien offensichtlich nie darum ging, für den ORF ideale gesetzliche Rahmenbedingungen zu entwickeln, sondern, wie bereits oben erwähnt, einzig darum, sich den größtmöglichen parteipolitischen Einfluß auf diesen zu sichern.

Noch am 27.12.1997 forderte der Klubobmann der ÖVP Andreas Khol die Umwandlung des ORF in eine Aktiengesellschaft. Doch schon am 30. Jänner 1998 erklärte Bundesminister Wilhelm Molterer in seiner Funktion als Mediensprecher der ÖVP, daß es ,über die Umwandlung des ORF in eine Aktiengesellschaft keine Verhandlungen' mehr geben werde. Der Grund für dieses endgültige Aus war eine Meldung im ,WirtschaftsBlatt' zu Überlegungen eines Einstiegs der Bank Austria in den ORF, angestellt vom stellvertretenden Vorsitzenden der SPÖ und Wiener Bürgermeister Dr. Michael Häupl. Molterer meinte, daß ,die ÖVP nicht bereit' wäre, ,einem Ausverkauf des ORF Tür und Tor zu öffnen'.


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