Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 127. Sitzung / 76

sider ist. Das ist ganz schlecht. Wenn sich nur mehr Insider bewerben, dann wird die Personaldecke qualitativ immer dünner werden. Dann wird sich eine intellektuelle Inzucht entwickeln. Wir brauchen im ORF frischen Wind.

Wundern Sie sich wirklich, daß sich niemand beworben hat, wenn man nicht einmal weiß, für welche Art von Unternehmen man sich bewirbt, wenn man noch nicht einmal abschätzen kann, unter welchen wirtschaftlichen und medienpolitischen Rahmenbedingungen man arbeiten wird? - Ich würde mich nicht bewerben, wenn ich in den "Nebel fahren" müßte. Ich würde womöglich auf vier Jahre als N.N. bestellt, und auf einmal könnten sich alle Parameter verändern, weil sich die Regierung plötzlich auf irgend etwas einigt. Das ist einem wirklich reputierlichen Spitzenmanager nicht zumutbar. Daher haben sich lediglich treue Insider beworben - beide im übrigen nahe am Pensionsalter, beide im übrigen statistisch über dem durchschnittlichen österreichischen Pensionsantrittsalter liegend. Das ist keine gute Zukunftsprognose für ein Unternehmen, das Reformen braucht. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Das soll nicht gegen Menschen in diesem Alter sprechen, aber machen Sie sich einmal bewußt, daß ein relativ junger GI, über den man sich durchaus kritisch äußern kann, gegen annähernd doppelt so alte Ersatzkandidaten ausgetauscht wird. (Abg. Mag. Kukacka: Frischenschlager ist aber anderer Ansicht!) Das ist für ein Unternehmen, das an der Schwelle zum 21. Jahrhundert arbeiten soll, ganz schlecht. Daher, Herr Staatssekretär, wirkt Ihre Antwort, daß Sie keine zwangsläufigen Qualitätsminderungen erkennen könnten, blasphemisch oder euphemistisch oder wie immer Sie wollen.

Es stimmt bedenklich, daß Sie sich nicht damit auseinandersetzen, was passieren würde, wenn die Werbeeinnahmen zurückgehen. Es ist eine gesicherte Prognose, daß diese zurückgehen werden. Sie können das Satellitenfernsehen nicht ernsthaft aufhalten. Herr Staatssekretär! Wenn Sie sagen, daß die Zunahme der Zahl der Satellitenprogramme und der Kabelprogramme ein Erfolg der Medienpolitik des Kanzlers sei, möchte ich die Frage stellen: Hat er selber die Satelliten hinaufgeschossen, und macht er oben das Programm? - Das passiert wider seinen Willen beziehungsweise ganz ohne seine Mitwirkung. Das geschieht nicht deswegen, weil es die österreichische Bundesregierung beschlossen hat, sondern weil Fernsehen vom Satelliten aus etwas ist, was sowohl anspruchsvoll gestaltet werden kann - nicht daß Sie mich jetzt mißverstehen - als auch werbewirtschaftlich interessant ist. Wir sitzen am Boden, terrestrisch, und schauen zu. Wir machen nicht einmal eine Reform im eigenen Haus!

Anstatt dessen entwirft man irgendwelche Ideen wie zum Beispiel jene einer Teilprivatisierung. Was soll das sein? Soll das ähnlich wie bei der Elektrizitätswirtschaft geschehen? In diesem Bereich wurde im Verfassungsrang festgeschrieben, daß der öffentlichen Hand 51 Prozent verbleiben und lediglich ein paar Private dazugenommen werden sollen. Im Falle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wären das vielleicht die Printmedien. Vielleicht folgen Sie dabei derselben Philosophie wie beim Regionalradiogesetz, aufgrund dessen sich horizontale Kartelle entwickelt haben, daß einem Hören und Sehen vergeht. Wenn wir thematisieren, ob nicht die Kartelle zu hinterfragen seien, sagen Sie: Nur keine überschießende Tendenz. Was heißt denn das?

Gehen Sie einmal in das Land der freien Marktwirtschaft, in die USA, und schauen Sie sich einmal dort das Kartellrecht an! Das wäre für Sie vielleicht sehr lehrreich. Ab einer bestimmten marktbeherrschenden Größe muß entflochten werden. Dieser Anspruch würde umso mehr für Absichten gelten, die darin bestehen, daß elektronische Medien und Printmedien horizontal verflochten werden. Ansonsten entwickelt sich eine Kartellkonstruktion, die Sie nicht mehr aufbrechen können.

Warum verweigern Sie sich der definitorischen Aufgabe, zu sagen, was Sie unter öffentlich-rechtlich verstehen? Ich sage Ihnen, warum: Deswegen, weil der Kernbereich jedes öffentlich-rechtlichen Rundfunks ein wirklich unabhängiges Informationswesen (Beifall beim Liberalen Forum), eine garantierte Pressefreiheit im Informationsbereich sein müßte - tatsächlich völlig weisungsfreie und nur ihrem Berufsethos verpflichtete Journalisten auf Zeit. Einen Blankoscheck auf Lebenszeit kann man keinem Journalisten in seinem Bereich ausstellen. Aber auf Zeit muß er unabhängig sein. Verstehen Sie mich? (Beifall beim Liberalen Forum.)


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