Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 127. Sitzung / 77

Ein Journalist darf nicht von vornherein aus irgendeinem Parteiraster herausfallen. Auch wenn er selber gar nicht parteipolitisch organisiert ist, darf er nicht aus einem Raster herausfallen. Er darf keine anderen Loyalitäten in dieses Amt einbringen als sein moralisches und politisches Gewissen als Journalist. Er darf nicht auf der Payroll irgendeiner anderen Organisation stehen. Deswegen gibt es übrigens auch die Unvereinbarkeitsbestimmungen, die allerdings nur formal bestehen.

Daher meinen Sie offenbar, daß man, solange die Form gewahrt wird, auch durchkommen wird. Nicht so sehr Dinge wie der Programmbereich sind für die Qualität eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks von ausschlaggebender Bedeutung, sondern die wirklich doppelt abgesicherte Pressefreiheit. Ich meine, wenn dies einmal hier im Haus Bekenntnislage und auch gelebte Politik der Bundesregierung wäre, dann hätten wir noch immer große Probleme zu lösen. Die wirtschaftliche Situation des ORF ist keineswegs rosig und die Prognose keineswegs zu Optimismus Anlaß gebend. Aber dann wäre der ORF wenigstens eine Rundfunkanstalt mit gutem Journalismus. (Abg. Mag. Kukacka: Da werden sich die ORF-Journalisten aber sehr freuen, wenn sie von Ihnen abqualifiziert werden! Sie qualifizieren die ORF-Journalisten ab!)

Schauen Sie sich einmal an, wie in privaten oder anderen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten interviewt wird - nicht pflegeleicht, nicht sanft und kuschelig, sondern angreiferisch, auf den Punkt gebracht und manchmal vielleicht auch mit einer überschießenden Tendenz. Das müßten die Politiker wohl aushalten können. Wir hingegen haben eine spezifische Form von Gefälligkeits- und teilweise Hofberichterstattung, die von außen erzwungen wird. Die Journalisten im ORF leiden darunter. Manchen mag es vielleicht gefallen, weil sie rascher Karriere machen können, aber den meisten Journalisten im ORF gefällt das überhaupt nicht. Glauben Sie mir das! Wenn Sie eine Unabhängigkeit in diesem Bereich durch eine Reform schaffen würden, dann wären Sie, ich sage es jetzt bewußt zynisch, Ihr Geld als Regierung wert. (Beifall beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der Grünen.)

16.20

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schieder. (Abg. Dr. Krüger: Und Kurator!) - Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Schieder - in Richtung des Abg. Dr. Krüger -: Sie sprechen auch als Rechtsanwalt zu Justizfragen und können beides trennen!)

16.20

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich möchte zu drei Bereichen, die in dieser Dringlichen Anfrage angesprochen worden sind, Stellung nehmen: zur aktuellen Frage der Wahl des Generalintendanten, zur Frage der Umwandlung des ORF in eine AG und der diesbezüglichen Verhandlungen zwischen ÖVP und SPÖ und zur Frage, die die Antragsteller "öffentlich-rechtlich kontra kommerziell" genannt haben.

Zuerst zur aktuellen Situation: Ich möchte nicht zur Frage, wer von den beiden Kandidaten besser ist et cetera, Stellung beziehen. Vielmehr interessiert mich die Frage, ob es stimmt, daß es für diese Wahl und für den ORF besser wäre, wenn es eine gesetzliche Regelung gäbe, die nicht so eine furchtbare Prozedur vorsehen würde. Das haben wir gestern mit aller Deutlichkeit gesehen und werden wir auch weiter sehen. Die jetzige Regelung ist schlecht; das stimmt, ich gebe es zu. (Abg. Smolle: Da sind Sie ja selbst schuld!) Sie brauchen nicht zu schreien, es gibt seit 24 Jahren eine gewisse Mitschuld. (Abg. Smolle: 24 Jahre Versäumnis! - Abg. Mag. Kukacka: Seit Kreisky!) Damals wurde aufgrund der "Lex Bacher" ein Gesetz gemacht. Auch das stimmt.

Ich habe es daher für sehr gescheit gehalten, daß einer der beiden Kandidaten, nämlich Dr. Radel, den Vorschlag gemacht hat: Wenn es schon nicht dieses neue Gesetz gibt, dann verhalten wir uns wenigstens so. Wenn einer der Kandidaten ein ganz klares Stimmenverhältnis gegen sich hat, dann soll er seine Kandidatur zurückziehen. Damit könnten wir uns wenigstens so verhalten, als gäbe es schon eine neue Regelung. Ich habe diesen seinen Vorschlag für sehr gut gefunden. Ich hätte es natürlich noch besser gefunden, wenn er sich auch daran gehalten


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