Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 127. Sitzung / 80

rechtfertigen, sondern es war die Kreiskysche ORF-Gegenreform, die diesen Bestellungsmodus geschaffen hat. Im Jahre 1974 - quasi in der Hochblüte des Kreisky-Sozialismus - ist dem Bundeskanzler Kreisky ein Generalintendant Bacher als "Betriebsunfall" passiert, und so etwas darf bekanntlich nicht sein. Daher mußte das Rundfunkgesetz geändert werden, und zwar mit einem Bestellungsmodus, der jetzt kritisiert wird - jetzt auch von den Sozialdemokraten. (Abg. Dr. Schmidt: Seien Sie froh, daß die gescheiter geworden sind!) Das ist die Wahrheit, und das sind in diesem Zusammenhang die Fakten.

Wir sind auch für die Änderung dieses Bestellungsmodus. Aber eines möchte ich auch sagen: Ich wundere mich ein bißchen über die Argumentation des Liberalen Forums, daß es so heftig kritisiert, daß bei den ersten Wahldurchgängen Zweidrittelmehrheit gefordert wird. Ja um Gottes willen, es handelt sich beim ORF um das größte Medieninstitut dieses Landes! Soll denn der Geschäftsführer dieses Institutes mit einer knappen Mehrheit beschlossen werden - mit 51 : 49 Prozent? Bedenken Sie doch, daß in diesem Kuratorium alle gesellschaftlichen Gruppen dieses Landes sitzen - die Vertreter der Bundesländer, der Bundesregierung, der Parteien und der Hörer- und Sehervertretung! Und da sind Sie der Meinung, daß sofort nur mit einer Stimme Mehrheit, mit 51 Prozent ein Geschäftsführer bestellt werden soll? - Wir von der ÖVP sind der Meinung, daß der ORF als gemeinsames Anliegen so wichtig ist, daß für die Wahl des Geschäftsführers versucht werden muß, eine möglichst breite Mehrheit zu gewinnen. (Abg. Dr. Kier: Was wird es denn im Jänner sein?) Das ist unsere Position. Bevor wir nichts Besseres haben, werden wir das nicht leichtfertig aufgeben - auch im Interesse der Demokratie und der demokratischen Mehrheitsfindung in diesem Lande. (Beifall bei der ÖVP. - Abg. Dr. Schmidt: Auch im Interesse Ihrer Partei!)

Meine Damen und Herren! Es besteht auch kein Grund, die Grundlage des jetzigen Rundfunkgesetzes schlechtzumachen. (Abg. Dr. Kier: Aber "keiner"!) Denn die Unabhängigkeit der Personen und Organe, die Rundfunk machen, wird in der Verfassung garantiert! Das heißt, dieses Gesetz hat Verfassungsrang. Die Rechtsform der nicht auf Gewinn gerichteten Anstalt öffentlichen Rechtes sichert meiner Meinung nach die Unabhängigkeit in hohem Ausmaß - die Unabhängigkeit der Führungsorgane und die Unabhängigkeit jedes einzelnen Journalisten.

Auch das Privileg, von allen Österreicherinnen und Österreichern Gebühren verlangen zu können, also nicht nur auf Werbeeinnahmen angewiesen zu sein und sich vielleicht an der Werbekraft der einzelnen Unternehmen orientieren zu müssen, wie das bei Privaten der Fall ist, sichert die Unabhängigkeit. Deshalb sind wir so stark für eine öffentlich-rechtliche Anstalt in der Form, wie das derzeit der Fall ist.

Diese finanzielle Unabhängigkeit hat als Gegenstück den umfassenden Programm-, Versorgungs- und Föderalismusauftrag. Und auch in Zukunft, meine Damen und Herren, muß das Markenzeichen des ORF seine Unabhängigkeit, Überparteilichkeit, Objektivität, Meinungsvielfalt und die Ausgewogenheit der Programme sein. (Abg. Dr. Schmidt: Was halten Sie von einer schwarz-blauen Wende?) Der ORF darf kein Regierungsfunk, kein Parteienrundfunk, auch kein Rundfunk der Opposition, aber auch kein Rundfunk der verschiedenen Lobbies und Interessengruppen sein (Abg. Dr. Schmidt: Schwarz-blau?), sondern er muß ein Rundfunk aller Österreicher, der auf einem gemeinsamen, sicheren, durch Mehrheit beschlossenen Verfassungsgesetz beruht, sein. (Beifall bei der ÖVP. - Abg. Dr. Kier: Weiß das auch die Stenzel?)

Daß das wirtschaftliche Konzept dieses Rundfunks nicht so schlecht sein kann, beweist der Umstand, daß der Rundfunk derzeit wirtschaftlich besser dasteht als je zuvor in der Vergangenheit. Die Bilanzen sind hervorragend, seine Rückstellungen sind sehr gut. Seine Prognosen zeigen, daß er auf dem richtigen Weg ist, und es gibt überhaupt keinen Grund, wegen der wirtschaftlichen Situation die Rechtsform des ORF zu ändern. Darüber sind sich die Experten völlig einig. (Beifall bei der ÖVP. - Abg. Dr. Schmidt: Das haben Sie im Koalitionsabkommen noch nicht gewußt!)

Wir wollen einen ORF, der sich am öffentlich-rechtlichen Auftrag orientiert. Wir brauchen auch ein Qualitätsprogramm. Wir brauchen deshalb ein Qualitätsprogramm, weil die Tendenz zur Nivellierung besteht. Zu meinen, die Quantität - wenn also viele zuhören - ist schon die Qualität


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