Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 127. Sitzung / 84

chen Kulturfragen. Aber bitte, bei aller Freundschaft: Das, was Sie uns heute hier über ORF und Medienzukunft erzählt haben, ist eigentlich nicht das, was ich mir vom Stellvertreter des Kanzlers erwarte.

Herr Staatssekretär! Ich habe mir eher erwartet, daß Sie hier die Rede des Herrn Bundeskanzlers verlesen. Aber daß Sie so ein seltsames Substrat aus ein paar Sätzen, die er möglicherweise gesagt hätte, und ein paar Meinungsfetzen von Ihnen hier bringen, das haben sich die Liberalen in ihrer lauteren Absicht, zum Thema ORF-Reform einen Beitrag zu leisten, wahrlich nicht verdient. (Abg. Ing. Langthaler: Wir alle nicht! - Heiterkeit.) Wir alle nicht, aber die Liberalen haben die Dringliche Anfrage eingebracht.

Es ist letztendlich von Ihrer ausführlichen, langen Beantwortung nur ein Satz interessant, nämlich jener, auf den auch Kollege Kier eingegangen ist: Bis wann hat das Hohe Haus damit zu rechnen, daß es endlich Vorschläge zur ORF-Reform gibt, die überhaupt als Reformvorschläge zu bezeichnen sind, und die vor allem solcher Art sind, daß auch die Opposition davon Kenntnis erlangt beziehungsweise die Kolleginnen und Kollegen der Regierungsparteien? Es gibt sogenannte Reformvorschläge, die bei ominösen Treffen manchmal in Salzburg, manchmal in einem Hotel und manchmal in einem Gasthaus terminisiert werden, an denen manchmal jemand nicht teilnehmen kann, weil er Terminschwierigkeiten hat. Das lese ich so in den Zeitungen. Kollege Kukacka lacht (Abg. Mag. Kukacka: Ich war nicht dabei!), offensichtlich weil er nicht dabei ist. Das ist schon so skurril, daß es kaum noch ausdrückbar ist.

Dann kommt das, was ich gestern in ORF 2, in der Sendung "Zeit im Bild 2" gesehen habe. - Bitte, die Berichterstattung über diese Intendatenwahl hat gewirkt wie eine Faschingsveranstaltung. Der gestrige Versuch, einen Intendanten zu wählen, war Fasching. Das ist so skurril, daß man sich genieren muß, wenn etwa Menschen aus dem Ausland sehen, wie da mit einem Milliardenunternehmen, mit der Zukunft eines Milliardenunternehmens umgegangen wird.

Meine Damen und Herren! Das ist in höchstem Maße unverantwortlich (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum), aber nicht nur deshalb, weil es kein Ergebnis gegeben hat, sondern der Vorgang als solcher. Der Herr Bundeskanzler ist ja in Cardiff und hat wahrscheinlich nicht die Möglichkeit gehabt, das zu sehen, denn der ORF ist noch nicht am Satelliten - was ohnehin schon an der Zeit wäre, das wird ja bereits seit Jahren versprochen. Der Herr Bundeskanzler hat das wahrscheinlich nicht gesehen, aber Sie, Herr Staatssekretär, haben das vielleicht gesehen. Wenn Sie bis jetzt nicht davon überzeugt waren, daß das Tempo dieser ORF-Reform zu langsam ist, müßten Sie es aber jetzt tatsächlich sein, meine sehr geehrten Damen und Herren. - Das ist die erste Bemerkung zu Ihrer Beantwortung.

Ein Satz in Ihrer Beantwortung hat bei mir nicht Schmunzeln, sondern das Gegenteil davon hervorgerufen, nämlich der Satz mit der Beteiligungsbeschränkung sowohl beim Radio als auch in Zukunft beim Fernsehen, was Zeitungen beziehungsweise Medienkonzerne angeht. Sie haben das so nett ausgedrückt: Beteiligung darf es nur in einem für die Meinungsvielfalt erträglichen Ausmaß geben. - Was ist bitte ein "für die Meinungsvielfalt erträgliches Ausmaß"? Wenn Sie diesen Satz, über den ich nicht lache - wirklich nicht! - ernst nehmen, dann, bitte schön, müßten wir auf der Stelle das "Krone"-Radio 88,6, das RTL-Radio und die "Antenne Wien" verbieten, denn nichts davon ist als "ein für die Meinungsvielfalt erträgliches Ausmaß" zu qualifizieren. Überall, in allen diesen sogenannten Privatradios, ist ja der größte Medienkonzern der Welt, Bertelsmann, vertreten.

Meine Damen und Herren! Ich weiß wirklich nicht mehr, wer in der Medienpolitik in Österreich denkt. Ich weiß, wer lenkt: die SPÖ und die ÖVP und manche, die da drinnen sitzen, Häupl, Rudas, Molterer. Ja, die lenken. Bis jetzt habe ich das Gefühl: nur Kraftfahrzeuge zwischen dem Landeshauptmann Schausberger aus Salzburg und Wien. Da gibt es ja diesen ganzen Zirkus mit den Treffen, die stattfinden oder nicht. Aber Medienpolitik wird doch wahrlich nicht gemacht, meine Damen und Herren, und ich halte das eigentlich für die Abgeordneten der beiden - noch - größeren Parteien wirklich bedenklich, wenn die Opposition hier Reformvorschläge machen muß.


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