Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 127. Sitzung / 93

Herr Kollege Kukacka! Wissen Sie, wann der Bundeskanzler diesen Wunsch geäußert hat? - Am 5. April 1994! Das ist nicht neu, das war noch Bundeskanzler Vranitzky. Wenn Sie sich also alle so einig sind, daß es einen Reformbedarf gibt, dann frage ich mich, wer Sie daran hindert, diese längst notwendige Reform auch tatsächlich in die Tat umzusetzen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir wissen, daß wir noch weit davon entfernt sind, in Österreich eine der Menschenrechtskonvention entsprechende gesetzliche Grundlage für den Medienbereich zu schaffen. Wir haben nach wie vor kein privates terrestrisches Fernsehen, wir haben nach wie vor keinen privaten bundesweiten Rundfunk. Solange diese beiden Bereiche vom privaten Sektor nicht erschlossen werden können, so lange haben wir die einschlägigen Artikel der Menschenrechtskonvention, nämlich jene der Meinungsfreiheit und jene der Rundfunkfreiheit, die ein Teil der Meinungsfreiheit sind, nicht verwirklicht. Das ist Faktum. (Abg. Schieder: Ja!)

Herr Kollege Schieder! Sie schütteln den Kopf! Aber können Sie mir ein europäisches Land neben Österreich nennen, in dem es kein privates terrestrisches Fernsehen gibt oder in dem es gesetzlich verboten wäre, privates terrestrisches Fernsehen zu betreiben? - Bis vor einigen Jahren Albanien! (Abg. Schieder: Darf ich Sie unterbrechen?) - Bitte. (Abg. Schieder: Sie werden mir doch beipflichten, daß die Frage, ob etwas einer Konvention entspricht, nicht die ist, ob es das wo gibt!)

Herr Kollege! Österreich ist dieser Konvention beigetreten. Sie wissen genau, daß die Konvention verfassungsrechtlich zu beachten ist, das heißt, sie steht im Verfassungsrang. Sie kennen auch das Erkenntnis Lentia aus dem Jahre 1993 (Abg. Schieder: Das heißt doch nicht bundesweiter Rundfunk!), in dem die Republik Österreich verurteilt wurde, gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung und gegen das Recht auf Rundfunkveranstaltungsfreiheit verstoßen zu haben. (Beifall bei den Freiheitlichen. - Abg. Schieder: Wo steht "bundesweiter Hörfunk"?)

Sie wissen genau, Herr Kollege Schieder, daß nur in Teilbereichen die Menschenrechtswidrigkeit behoben wurde, nämlich im Bereich des Privatradiorechtes. (Abg. Schieder: Aber doch nicht bundesweit!) Sie wissen selbst, wie das Procedere vonstatten gegangen ist, daß es ein Privatradiorecht, ein Regionalradiorecht gegeben hat (Abg. Schieder: Aber bundesweit muß es nicht sein!), das vom Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig aufgehoben werden mußte. Es hat einen zweiten Anlauf gegeben, und es sind auch jetzt Verfassungsgerichtshofbeschwerden anhängig. Es ist noch lange nicht gesagt, daß da Verfassungskonformität besteht.

Aber wenn ich schon bei diesem mich sehr interessierenden Thema bin, das vielleicht die breite Öffentlichkeit nicht so sehr interessiert, das gebe ich schon zu, dann möchte ich noch auf eines verweisen, Herr Kollege: Der ehemalige Kurator Josef Cap, bei dem im übrigen interessant ist, daß er jetzt einen Änderungsbedarf beim Kuratorium sieht, denn als er Mitglied des Kuratoriums war, habe ich nie etwas von einem Änderungsbedarf gehört, hat etwas ganz Richtiges gesagt: Er hat gesagt, es sei an sich grundsätzlich nichts Anstößiges, wenn sich die Demokratie in einem öffentlich-rechtlichen Rundfunk wiederfindet. Da ist ihm eigentlich grundsätzlich beizupflichten. Aber, Herr Kollege: Wie schaut diese Demokratie aus? - Sie kennen das Stärkeverhältnis im Nationalrat, und das Stärkeverhältnis im Kuratorium hat nicht das geringste mit dem Stärkeverhältnis der demokratisch legitimierten Parteien zu tun. Das wissen Sie genauso wie ich.

Es gibt auf der einen Seite den ÖVP-Block, der jetzt ÖVP-Freundeskreis heißt, wie ich gelesen habe, und auf der anderen Seite den SPÖ-Block, und dann gibt es noch einige Versprengte, einen freiheitlich Entsandten, einen Liberalen und einen Grünen. Das hat doch bitte nichts damit zu tun, daß dem Willen des Wählers, im Sinne einer repräsentativen Demokratie verhältnismäßig an der Willensbildung teilzuhaben, auch tatsächlich zum Durchbruch verholfen werde. Dieses Gesetz ist nichts anderes als der Versuch einer Machterhaltung von Parteien, die längst nicht mehr so stark sind (Beifall bei den Freiheitlichen), die zwar bei den letzten Nationalratswahlen knapp mehr als zwei Drittel der Stimmen auf sich vereinigen konnten, aber in Wahrheit zu 100 Prozent die Willensbildung im Kuratorium bestimmen können. Und das ist demokratie


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