Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 128. Sitzung / 40

Es gibt aber auch Sonderformen der Arbeitszeit, die die Zeit mit sich bringt. Es ist ja heute so, daß es nicht mehr nur einen Alleinverdiener in der Familie gibt, sondern der Trend geht in die Richtung, daß beide Partner einer Beschäftigung nachgehen. Wie diesem Bericht zu entnehmen ist, haben wir aber immer mehr geringfügig Beschäftigte, wovon hauptsächlich Frauen betroffen sind, die weniger als 3 600 S verdienen. Zwei Drittel der Frauen, die im Erwerbsleben stehen, sind geringfügig beschäftigt und davon wiederum die Hälfte als Arbeiterinnen.

Auch die Zahl der Teilzeitbeschäftigten ist wesentlich größer geworden, vor allem wiederum bei den Frauen. 27 Prozent der Frauen sind teilzeitbeschäftigt; im Handel sind es sogar 33 Prozent gegenüber 4 Prozent Männer.

Wir haben vor kurzem erst den nationalen Beschäftigungsplan erhalten. Darin ist nachzulesen, daß die Bundesregierung über den nationalen Beschäftigungsplan in den nächsten fünf Jahren bis 2002 100 000 neue Jobs schaffen und die Arbeitslosenquote, die derzeit bei 7 Prozent liegt - nach EU-Kriterien bei 4,4 Prozent -, auf 3,5 Prozent reduzieren will.

Für mich ist diese Aufstellung etwas unwahrscheinlich, denn wenn man bedenkt, daß in der Grundstoffindustrie in den nächsten Jahren - das ist ebenfalls diesem nationalen Beschäftigungsplan zu entnehmen - um 15 000 Arbeitsplätze weniger sein werden, im Baubereich um 15 000 weniger, im Textilbereich um 23 000 weniger und im Genußmittelbereich um 5 000 weniger, dann ergibt das 58 000 Arbeitsplätze weniger. Da müssen jetzt schon über 150 000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um auf denselben Stand zu kommen, den wir heute haben, ansonsten steigt die Arbeitslosigkeit, und die Quote von 3,5 Prozent wird wahrscheinlich nicht erreicht werden können.

Demgegenüber steht wieder, daß im Dienstleistungsbereich, im Sozial-, Pflege- und Umweltbereich und in den Gesundheitsberufen um 28 000 Arbeitsplätze mehr geschaffen werden. Da fehlen noch immer 30 000 Arbeitsplätze, Frau Bundesministerin - ich habe Ihnen das schon einmal gesagt -, was jetzt durch aktive Arbeitsmarktpolitik, durch Umschulungen und so weiter kompensiert werden soll. Aber wie Sie ja selbst wissen, ist es ein Problem, einen über 50jährigen umzuschulen, wenn Betriebe nicht mehr daran interessiert sind, über 50jährige einzustellen.

Arbeitsplätze sollen auch durch die Verbesserung der Konjunktur geschaffen werden. Ein Wirtschaftswachstum von 2,5 Prozent soll angepeilt und dadurch eben für die Ausweitung der Beschäftigung gesorgt werden. Aber wie soll die Wirtschaft wachsen, wenn es viel weniger offene Stellen gibt, wenn eine Gründerwelle zwar oft angekündigt, aber nicht umgesetzt wurde? Im ersten Quartal dieses Jahres - das gilt für die Gegenwart, gilt aber auch, wenn wir in die Zukunft blicken - hat die Zahl der Betriebe um 12 Prozent abgenommen, 1 333 Firmen wurden aus dem Firmenbuch gelöscht. Das ist ganz einfach nicht besonders erfreulich für die österreichische Situation. Wir haben eine hohe Steuer- und Abgabenquote, wir liegen heute bei 44,8 Prozent. Das ist ganz einfach zu hoch! Das Realeinkommen ist ebenfalls im Sinken begriffen, die Kaufkraft in Österreich wird schwächer.

Wir haben außerdem das Phänomen, daß die Steuern und die Sozialabgaben aus dem Lohneinkommen in den letzten 15 Jahren viel stärker zugenommen haben als jene im Bereich Besitz und Unternehmungen, und der Anteil der Lohneinkommen am Nettovolkseinkommen ging enorm zurück. Lag es im Jahre 1976 noch bei 57,4 Prozent, so ist es im Jahr 1996 auf 47,8 Prozent gesunken. Das Nettorealeinkommen der Arbeitnehmer ist in diesem Zeitraum um 2,2 Prozent gesunken.

Wir haben zudem eine kalte Progression in Österreich zu verzeichnen, wie die Entwicklung der Lohnsteuer zeigt. Im Jahr 1989, als die letzte große Lohnsteuerreform noch gegriffen hat, lagen wir bei 88 Milliarden Schilling Lohnsteuereinkommen pro Jahr, 1996 waren es 160 Milliarden Schilling, 1997 183 Milliarden Schilling. Heuer werden wir wahrscheinlich die Marke von 200 Milliarden Schilling erreichen. Daher, Frau Bundesministerin, wird es einfach notwendig sein, eine Lohnsteuerreform etwas vorzuziehen und nicht bis zum Jahr 2000 zu warten und dann eine Lohnsteuerreform in irgendeiner Form zu machen, denn bis dahin werden die Österreicherinnen und Österreicher ausgeblutet sein.


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