Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 129. Sitzung / 58

Daher unser Alternativvorschlag: alle aktiv wahlberechtigt lassen oder gänzlich streichen. Das wäre ein nachvollziehbarer Vorschlag gewesen, der auch in das Wahlrecht Gerechtigkeit hätte einziehen lassen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Bei einer anderen Geschichte, Herr Präsident Maderthaner, haben Sie auch etwas Fracksausen bekommen. Sie hatten bei einer der letzten Novellierungen eine Begrenzung der Funktionsdauer von 15 Jahren eingeführt - die alten Innungsmeister dürften also nur drei Perioden im Amt bleiben. Jetzt haben Sie das Ganze wieder auf 20 Jahre aufgedoppelt. Ich möchte das gar nicht beurteilen, aber Sie haben diese Funktionsbegrenzung von 15 Jahren seinerzeit als die große Reform angepriesen - und jetzt fallen Sie wieder zurück hinter diesen nach Ihren Aussagen Reformschritt. Das ist nur eine sogenannte Kleinigkeit, aber immerhin ist es auch signifikant für den Geist, der sich durch dieses Gesetz, durch diesen großen Wurf, wie Sie es bezeichnen, zieht.

§ 76, Anordnung der Wahlen: eine völlig unsinnige Neuregelung der Wahltage. Ein Rahmen von vier Tagen wird gewährt, wobei jede Landeskammer am letzten dieser vier Tage die Wahllokale geöffnet haben muß. - Gut. Ein Beispiel: Sonntag bis Mittwoch: Sonntag geöffnet, dann zwei Tage nicht, aber am Mittwoch wieder. - So ein Wahltohuwabohu gibt es sonst nirgends auf der ganzen Welt, und so etwas bezeichnen Sie als Fortschritt!

Wir haben vorgeschlagen: zwei Wahltage, Sonntag und Montag, und die Geschichte ist erledigt, und jeder kann seiner Wahlverpflichtung nachkommen.

Jetzt kommt es aber noch viel dicker. Im § 85, Wahlausschreibung, heißt es in Absatz 2, daß man, um überhaupt antreten zu können, bei mehr als fünf Wahlberechtigten zwei Unterstützer braucht. Das heißt, daß bei sechs Wahlberechtigten - und solche Gremien gibt es zuhauf - 33 Prozent Unterstützung erforderlich ist, damit überhaupt ein Wahlvorschlag eingebracht werden kann. Ich frage mich, wie die Sozialdemokratie einem solchen Passus zustimmen kann.

Das war ja der Grund für das Unbehagen, meine Damen und Herren. Das bedeutet nämlich, daß die Minderheitsfraktionen überhaupt nicht mehr antreten können - ich sage das jetzt nicht nur für den Freien Wirtschaftsverband -: Das ist demokratiepolitisch eine Katastrophe. Wenn man das auf das Nationalratswahlrecht umlegt, würde das bedeuten, daß die ÖVP 1,8 Millionen Unterschriften braucht, um überhaupt antreten, um kandidieren zu können, also 33 Prozent Unterschriften der Wahlberechtigten.

Meine Damen und Herren, Sie tun damit der Wirtschaftskammer keinen guten Dienst! Sie tun auch der Demokratie keinen guten Dienst. Ich beschwöre Sie daher, diese Dinge nicht zu beschließen. Ich weiß, daß es heute zu spät ist, aber im Ausschuß sind Sie darauf nicht eingegangen, Sie sind drübergefahren.

Und dann kommt es noch viel dicker: Inhaber von Einzelunternehmen dürfen sich jetzt bei der Stimmabgabe vertreten lassen. Der Herr Maier kann jetzt den Herrn Huber wählen schicken. - Meine Damen und Herren! Das ist doch in der heutigen Zeit demokratiepolitisch überhaupt nicht mehr argumentierbar. (Abg. Dr. Krüger: Unglaublich!) Das gleiche, geheime, persönliche Wahlrecht, eines der Fundamente der Demokratie, der demokratischen Rechtsausübung, wird damit ad absurdum geführt. (Abg. Dr. Graf: Ein Wahnsinn!)

Ich verstehe die Sozialdemokraten wirklich nicht. Ich weiß, daß das Arbeiterkammergesetz ein Gegengeschäft zum Wirtschaftskammergesetz ist, aber wie man so etwas hineinschreiben kann, ist mir absolut unverständlich. Der Verfassungsgerichtshof wird Ihnen die Geschichte zurückschmeißen, glauben Sie mir das. Ich bin nur ein einfacher Kaufmann, aber es ist für mich unvorstellbar, daß das heute mit Mehrheit in diesem Hause beschlossen wird, meine Damen und Herren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es gibt so viele Beispiele dafür - ich werde gar nicht mehr fertig mit der Aufzählung -, daß eine Moritat heute hier zur Beschlußfassung ansteht und kein taugliches Gesetz, um Probleme zu lösen. (Abg. Dr. Graf: Ständestaat!)


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