Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 129. Sitzung / 63

Ihre Sonntagsreden den Mitgliedern gegenüber und dann die Gesetzesbeschlüsse, die Sie hier fassen - ja haben Sie zwei Identitäten? Kommen Sie hier herein, und sind Sie andere Menschen nach dem Motto: Einmal sind wir in der Kammer, und einmal sind wir im Parlament und tun genau das Gegenteil? - Wissen Sie, mich als Unternehmer können Sie nicht mehr foppen, ich habe zu viele Informationen, aber die Mehrheit der Unternehmer nimmt Ihnen das leider noch ab. (Abg. Dr. Stummvoll: Ein "schönes" Demokratieverständnis!)

Ich komme gerade dazu: Ich weiß schon, in der Demokratie gibt es eine Mehrheitsentscheidung. Selbstverständlich! In der Demokratie gibt es einen Kompromiß, aber deshalb haben Sie als Wirtschaftskammerfunktionäre hier herinnen nichts verloren, weil Sie von einer gesetzlichen Interessenvertretung sind. Ein ganz anderer Fall sind die freiwilligen Interessenvertretungen (Ah-Rufe bei der ÖVP), die sich ihren Mitgliedern täglich stellen. Sie haben Ihre Zwangsmitglieder, die Sie bezahlen müssen! (Beifall beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Schlußendlich ist die Wirtschaftskammer nicht mehr und nicht weniger als die Machtbasis des Wirtschaftsbundes. Ich verstehe schon, daß Sie diese Machtbasis verteidigen, denn da geht es um Geld, Einfluß und wieder Geld. Ja natürlich verteidigen Sie das. Allein der Wirtschaftsbund bekommt aus den Mitteln der Wirtschaftskammer 100 Millionen Schilling im Jahr, der Freie Wirtschaftsverband 12 Millionen und der Ring Freiheitlicher Wirtschaftstreibender 12 Millionen. Das stammt aus den sogenannten wahlwerbenden Gruppen. (Abg. Dr. Stummvoll: Sie behaupten, die Mehrheit der Unternehmer irrt sich, nur Sie haben recht! Das ist Demokratie?!)

Nein, das behaupte ich nicht, ich weise nur die Mehrheit der Unternehmer darauf hin, was Sie ihnen nicht sagen, weil Sie, Herr Dr. Stummvoll, nicht einmal den Mut dazu haben, Ihren Mitgliedern zu sagen, was Sie kosten, wieviel Geld Sie ihnen aus der Tasche ziehen. (Abg. Dr. Stummvoll: Mitgliederbefragung!) Schreiben Sie jedem Mitglied einmal im Jahr einen Brief und bedanken Sie sich für die Summe der Beiträge, die es geleistet hat! Aber dazu sind Sie nicht mutig genug, weil Sie genau wissen, daß dann die Hölle in der Bundeskammer brennt. (Beifall beim Liberalen Forum. - Abg. Dr. Stummvoll: Sie negieren die Mitgliederbefragung!)

Jetzt komme ich zu Ihrer Abstimmung: Diese Abstimmung war die größte Farce, die es in dieser Zweiten Republik je gegeben hat. Es war eine sogenannte No-na-net-Frage. (Abg. Dr. Stummvoll: Waren Sie dort?) - Nein, dort bin ich nicht hingegangen, ich lasse mich von Ihnen nicht als Nasenbär durch die Landschaft ziehen. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) Sie haben bei dieser Abstimmung eine Frage gestellt, die ein Popanz war. Sie haben den Mitgliedern nicht gesagt, was sie zahlen, wie hoch die Beiträge sind, sondern Sie haben sie gefragt: Wollt ihr eine Wirtschaftskammer oder wollt ihr keine? - Ich will auch eine Wirtschaftskammer, aber ich will sie so haben, wie es Präsident Maderthaner gesagt hat: flexibler, mitgliedernäher, schlagkräftiger und schlanker. Alle vier von Maderthaner angesprochenen Voraussetzungen erfüllt sie aber nicht. Das ist der Jammer dabei. (Beifall beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. - Abg. Dr. Stummvoll: Sie behaupten, die Unternehmer sind so dumm und wissen nicht, was sie zahlen?)

Ihre Argumentation ist perfide, Herr Dr. Stummvoll, weil Sie ganz genau wissen, daß die Summe der 200 000 Mitglieder, die Sie haben, natürlich nicht weiß, daß vom Finanzamt über die KU 2 und über die KU 1 ein halbes Prozent der Lohnnebenkosten eingehoben wird. (Abg. Dr. Trinkl: Er berechnet sie ja selbst! Für wie dumm halten Sie die Leute eigentlich?) Wenn sie das ohnehin wissen, dann schreiben Sie es Ihren Mitgliedern auch! Jeder Unternehmer, mit dem ich rede und dem ich erzähle, was er denn wirklich an Beiträgen bezahlt, sagt: Das habe ich nicht gewußt. Wenn ich das gewußt hätte! Wenn ich den Maderthaner das nächste Mal erwische, mache ich ihm rote Augen! - Recht hätte er. (Abg. Dr. Trinkl: Jetzt weiß ich, warum die Liberalen in der Kammer keine Mandate haben!)

In dieser verpolitisierten Kammer wollen wir keine Mandate! In einer wirklichen Wirtschaftsvertretung ... (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Das ist ein verpolitisierter Verein, das ist ein Teil des Neokorporatismus in Österreich, bei dem es nicht um die Interessenvertretung der Unternehmer geht. Da geht es um die parteipolitische Macht des Wirtschaftsbundes und um die 100 Millionen


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