Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 129. Sitzung / 69

Herr Abgeordneter Maderthaner! Sie sind ein ganz interessanter Spezialfall, und zwar schon alleine deswegen, weil heute ein Wirtschaftskammergesetz beschlossen wird, in welchem das passive Wahlrecht zumindest für EU-Bürger enthalten ist. Das ist doch interessant! Aber da steht auch zu lesen - Herr Abgeordneter König, jetzt sollten Sie zuhören! -, daß das passive Wahlrecht bei den Wirtschaftskammerwahlen nicht nur den EU-Bürgern, sondern auch den Bürgern gleichgestellter Staaten gewährt wird. - Das finde ich interessant!

In der Wirtschaftskammer und in der Hochschülerschaft ist etwas möglich, was bei den Arbeiterkammerwahlen nicht möglich ist, nicht möglich sein darf, sogar verboten ist. Wo kämen wir denn da hin, wenn wir den Ausländerinnen und Ausländern, die in Österreich leben, auch noch das passive Wahlrecht zur Arbeiterkammerwahl einräumen würden - wenn wir ihnen ohnehin schon alle anderen sozialen Rechte verweigern?!

In der Wirtschaftskammer ist es möglich, auch in der Hochschülerschaft ist es möglich, aber in der Arbeiterkammer darf es nicht möglich sein, denn da könnten ja unter Umständen irgendwelche Exzesse zwischen den betroffenen ausländischen Gruppierungen drohen. Diese Argumentation war ja von Ihrer Seite zu vernehmen - eine ungemein plumpe, ausländerfeindliche Argumentation, die eigentlich unvorstellbar ist, zumindest bei dem Niveau einer christlichen Volkspartei.

Herr Abgeordneter Brauneder, damit ich auch noch zu den Freiheitlichen komme, und Herr Abgeordneter Haider! War es nicht der Abgeordnete Haider, der immer wieder betont hat: Den langjährig hier im Land lebenden Gastarbeitern müssen dieselben Rechte eingeräumt werden! Gegen diese sind wir nicht, sie sind gleich fleißig und tüchtig wie die Inländerinnen und Inländer! - Das ist doch das, was der Abgeordnete Haider immer wieder sagt. (Abg. Ing. Nußbaumer nickt zustimmend. - Abg. Dr. Grollitsch: Kommt schon noch!) Wo ist denn Ihre Stimme zum passiven Wahlrecht bei den Arbeiterkammerwahlen?

Herr Abgeordneter Brauneder hat sich für das passive Wahlrecht für ausländische Studierende stark gemacht. Wo ist denn Ihre Stimme für das passive Wahlrecht bei den Arbeiterkammerwahlen? Warum differenzieren Sie zwischen der Arbeiterkammer und der Hochschülerschaft? - Beide Organisationen sind Körperschaften öffentlichen Rechts. Es gibt keinen Unterschied, außer daß es sich in dem einen Fall um Arbeitnehmer, in dem anderen Fall um Studierende handelt. Erklären Sie uns diese Ungleichbehandlung in diesem Haus, meine Damen und Herren! Sie können es nicht erklären!

Ich sage Ihnen, Herr Abgeordneter Schwimmer, Ihr Debattenbeitrag, den Sie im Jahre 1994 geleistet haben, ist in meiner "abweichenden persönlichen Stellungnahme" für die parlamentarische Debatte sozusagen verewigt. Es ist köstlich, zu lesen, wie Sie argumentiert haben, warum das passive Wahlrecht verweigert werden, warum es nicht festgeschrieben werden soll.

Herr Abgeordneter Schwimmer hat gesagt, das gebe es ohnehin über die EU-Richtlinie. Herr Abgeordneter Schwimmer, Sie verwechseln Richtlinie mit Verordnung. Es gibt eine Verordnung, und diese ist tatsächlich unmittelbar rechtswirksam.

Wir haben also heute die "köstliche" Situation, daß ein Gesetz beschlossen wird, in welchem ein Punkt enthalten ist, nämlich das passive Wahlrecht, von dem alle hier im Hohen Haus vertretenen Parteien wissen, und zwar spätestens nach dieser meiner Rede - aber ich nehme an, Sie wußten es schon vorher -, daß er gegen das EU-Recht verstößt (Abg. Dr. Khol: Das ist ein Unsinn!), und zwar in den Grundsätzen. Herr Abgeordneter Mock! Sie waren nicht da, Sie haben nicht zugehört! (Abg. Dr. Khol: Khol, nicht Mock!) Khol - tatsächlich. Entschuldigung! Sie haben mir ja nicht zugehört!

In den Grundsätzen verstößt dieser Punkt gegen das EU-Recht. Ich darf Sie außerdem, falls Sie das noch immer nicht glauben, daran erinnern, daß die EU-Kommission Anfang der neunziger Jahre - die Frau Bundesministerin wird das sicher wissen - ein Vertragsverletzungsverfahren gegen das Großherzogtum Luxemburg angestrengt hat, weil das Großherzogtum Luxemburg seinen ausländischen Bürgern das aktive Wahlrecht verweigert hat.


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