Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 129. Sitzung / 70

Dann hat es ein Vertragsverletzungsverfahren beim Europäischen Gerichtshof gegeben. Der Europäische Gerichtshof hat geurteilt und hat gesagt, das Großherzogtum Luxemburg wird zu Recht beschuldigt, das vorenthalten zu haben, und es muß das aktive und passive Wahlrecht einräumen. Das Großherzogtum Luxemburg ... (Abg. Dr. Khol: Kollege Öllinger, gestatten Sie mir einen Zwischenruf?) Bitte. (Abg. Dr. Khol: Das war bei Betriebsräten und bei gewerkschaftlichen Einrichtungen!) Nein! Nein! (Abg. Dr. Khol: Die Körperschaften öffentlichen Rechts sind ausdrücklich ausgenommen! Explizit!)

Für diesen Zwischenruf bin ich sehr dankbar. Wissen Sie, worum es gegangen ist? - Nicht um die Betriebsräte, sondern um die Berufskammern, also eine vergleichbare Körperschaft öffentlichen Rechts. (Abg. Dr. Khol: Nein, eben nicht!) Das ist ausdiskutiert und steht auch in der entsprechenden Judikatur. Es ging um die Berufskammern, und das war parallel. (Abg. Dr. Khol: Nein, das ist falsch!)

Jetzt sage ich Ihnen, was weiter passiert ist. Das Großherzogtum Luxemburg war etwas nachlässig und hat sich gedacht: Na ja, da können wir uns Zeit lassen, das muß nicht so schnell gehen. Aber die EU-Kommission hat sich das nicht gefallen lassen, Herr Abgeordneter Khol, und hat sehr schnell und sehr kurzfristig ein neues Vertragsverletzungsverfahren gegen Luxemburg angestrengt. (Abg. Dr. Khol: Ich werde das gleich prüfen lassen!) Der EuGH hat im Jahre 1994 entschieden, daß das sofort geändert werden muß, und Luxemburg hat seit 1994 das aktive und passive Wahlrecht für ausländische Arbeitnehmer und Berufe bei seinen Berufskammern eingeführt.

Ich kündige Ihnen an, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, daß wir an die EU-Kommission herantreten werden, sofern Sie das heute beschließen wollen, was zu Beginn einer EU-Präsidentschaft eigentlich eine Ungeheuerlichkeit darstellt. Zu Beginn der österreichischen Präsidentschaft erklärt das österreichische Parlament, es will sich nicht an die entsprechenden Verträge halten.

Ich kündige Ihnen an: Wir werden an die EU-Kommission herantreten und darum ersuchen, daß ein Vertragsverletzungsverfahren gegenüber der Republik Österreich geprüft und gegebenenfalls eingeleitet wird; und ich bin mir ganz sicher, daß der Europäische Gerichtshof im Falle Österreichs nicht anders entscheiden kann und wird, als das bei Luxemburg der Fall war. Österreich wird daher möglicherweise noch in den Monaten seiner Präsidentschaft die Blamage erleiden, daß es wegen einer Vertragsverletzung in einer ganz simplen, einfachen menschenrechtlichen Materie verurteilt werden wird, und zwar nur deswegen, weil Sie wider besseres Wissen billigen Populismus gegenüber den Freiheitlichen betreiben und ihnen nicht nachstehen wollen. Weil Sie ihnen nicht nachstehen wollen, werden Sie sich wegen dieser billigen populistischen Aktion erstens einmal dem Vorwurf aussetzen müssen, daß Sie in diesen Fragen genauso agieren wie die Freiheitlichen, zweitens werden Sie in diesen Fragen auch verurteilt werden.

Es liegt in Ihrer Hand, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, ob Sie sich dafür entscheiden, einen würdigen Beginn dieser österreichischen Präsidentschaft zu haben und keinen Vertrag zu verletzen, oder ob Sie durch diese Vertragsverletzung die Präsidentschaft hier in Österreich mit einem gar nicht so kleinen Schandfleck beginnen wollen. (Beifall bei den Grünen. - Abg. Dr. Khol: Ich lasse mir das Urteil kommen!)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter! Ich möchte nur der Vollständigkeit halber darauf aufmerksam machen: Den Abänderungsantrag haben Sie nicht verlesen. (Abg. Öllinger: Das muß ich noch nachholen!) - Bitte.

Abgeordneter Karl Öllinger (fortsetzend): Danke, Herr Präsident.

Ich bringe Ihnen noch den Abänderungsantrag, der sich genau auf das passive Wahlrecht bezieht, zur Kenntnis:


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