Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 129. Sitzung / 80

fallen müssen, daß Sie der Gewaltenteilung zuwiderhandeln, wenn Sie die Funktionsträger der Körperschaften des öffentlichen Rechtes als Mandatare in diesem Haus sitzen haben. Nur darum geht es.

Dasselbe gilt im übrigen meiner Meinung nach auch für den öffentlichen Dienst. Öffentlicher Dienst und gleichzeitige Ausübung von Mandaten in Parlamenten, das ist an sich unvereinbar. Diese Unvereinbarkeitsdebatte sollten wir einmal führen! Sie ist nicht auf die Körperschaften des öffentlichen Rechtes fokussiert, und die größere Zahl wird dann wohl die Beamtenfrage betreffen. Da wird sich auch herausstellen, daß vielleicht mancher oder manche im dienstrechtlichen Gewande des Beamten einherschreitet, der von der Funktion her eigentlich keiner ist. Das würde vielleicht wieder eine heilsame Verwaltungsreform-Diskussion anstoßen.

Zum passiven Wahlrecht in der Wirtschaftskammer ein vielleicht wichtiger Hinweis: Man hat sich hier ein bißchen berühmt, es sei dort besser, weil dort immerhin auf den EWR und auf die Europäische Union Bedacht genommen worden sei. Aber wissen Sie auch, wie es sich mit der Gegenseitigkeitsregelung in Ihrem Gesetz, das Sie so rühmen, verhält, nämlich mit der Gegenseitigkeit im passiven Wahlrecht in der Wirtschaftskammer? Wissen Sie, wer über diejenigen entscheidet, die in der Wirtschaftskammer passiv wahlberechtigt sind? - Der Vorstand! Der Vorstand der Bundeskammer stellt mit Beschluß fest, mit welchen Staaten Gegenseitigkeit besteht. Das heißt, der Vorstand setzt in diesem Fall - das hat Kollege Feurstein vielleicht im Auge gehabt - tatsächlich einen hoheitlichen Akt, nämlich indem er Wahlrecht zuerkennt oder nicht. Das ist im rechtsstaatlichen Sinn sehr, sehr grenzwertig. Ich bitte Sie, genau zu überlegen, ob Sie da nicht etwas überzogen haben! (Beifall beim Liberalen Forum und des Abg. Öllinger.)

Das passive Wahlrecht darf nicht von der Agenda genommen werden. Denn die Verknüpfung der gesetzlich verpflichtenden Mitgliedschaft mit den Mitwirkungsrechten ist unauflösbar. Wenn Sie nicht allen Ihren Mitgliedern die gleichen aktiven und passiven Wahlrechte geben, dann stellen Sie sich in Wirklichkeit selbst in Frage. Und wenn Sie das nicht bemerken, dann haben Sie in dem Fall offenbar ein gestörtes Verhältnis zum demokratiepolitischen Gesichtspunkt dieser Sache.

Das ist auch nicht weiter überraschend. Schlagen Sie einmal das Wirtschaftskammergesetz auf, und lesen Sie den § 25 oder wenigstens dessen Überschrift! Dieser Paragraph nennt sich "Vollversammlung". Da würde man vermuten, daß es sich um die Versammlung aller Mitglieder handelt. Aber so ist es überhaupt nicht, sondern damit ist eine Funktionärsversammlung gemeint! Und in einem Gesetz, in dem eine Funktionärsversammlung als "Vollversammlung" bezeichnet wird, ist bis zur Wurzel hinunter der demokratiepolitische Wurm drinnen. Mit dieser Bezeichnung entlarven Sie alles!

Wenn Sie glauben, daß die Präsidenten, die Sektionsleiter, der Vorsitzende des Finanzausschusses, der Kurator des Wirtschaftsförderungsinstitutes und einige von den Wählergruppen entsandte Mitglieder - das ist wahrscheinlich ohnedies schon eine unangenehme Konzession, daß man da noch ein paar Leute dabeihaben muß - zusammen als "Vollversammlung" zu bezeichnen sind, dann ist über Ihr Demokratieverständnis alles gesagt. Denn unter einer Vollversammlung würde man die Versammlung aller Mitglieder verstehen.

Kollegin Fekter hat - bezogen auf die Bundesebene - gefragt: Wollen Sie, daß sich alle 300 000 versammeln können? - Ich habe Sie darauf aufmerksam gemacht, daß Sie gar keine 300 000 Mitglieder haben, sondern nur 300 000 Gewerbescheine. Außerdem war das gar nicht der Anspruch, denn erstens geht es dabei um die Länderebene, und zweitens ist es ein Etikettenschwindel sondergleichen.

Ich habe schon im Ausschuß gesagt, daß ich hier keinen Abänderungsantrag stelle, weil mir das wirklich nicht der Mühe wert ist. Aber wie ich bemerkt habe, stellen auch Sie heute keinen Abänderungsantrag. Das heißt: Obwohl wir Sie ausdrücklich darauf hingewiesen haben, daß eine Vollversammlung, die eine reine Funktionärsversammlung ist, demokratiepolitisch ein Offenbarungseid ist, finden Sie es nicht der Mühe wert, wenigstens diesen mehr als nur sprachlichen Schönheitsfehler zu beheben.


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