Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 129. Sitzung / 81

In diesem Sinne meine ich, Ihnen noch einmal folgendes für den Fall sagen zu müssen, daß Sie nicht damit anfangen, im Bereich der Wirtschaftskammer eine tiefgreifende innere Strukturreform durchzuführen. Kollege Maderthaner hat hier gesagt: Wir haben 920 Millionen Schilling weniger an Einnahmen, und das haben wir erspart. Damit haben Sie uns gesagt, in welche Richtung man argumentieren muß. Man muß Ihnen die Einnahmen kürzen, dann fangen Sie zu sparen an, denn von selbst tun Sie das offenbar nicht. Sie leben anscheinend nach dem Motto: Was wir einnehmen, müssen wir auch ausgeben.

Das ist keine gute Philosophie für eine Wirtschaftsvertretung. Die wäre nämlich jetzt schon berechtigt, weniger auszugeben, als sie einnimmt, und mehr Geld in die produktiven Bereiche zu investieren. Sie könnte zum Beispiel von sich aus sagen: Wir haben ein Gesamtbudget von 8,4 Milliarden Schilling im Jahr. 1 Milliarde davon widmen wir der Förderung von Lehrlingen, im nächsten Jahr eine zweite und im übernächsten Jahr noch eine. Überhaupt werden wir uns bemühen, innerhalb von vier Jahren von 8,4 Milliarden auf 5 Milliarden Schilling herunter zu kommen.

Das wären Aussagen, die ich mir von einer effizienten Wirtschaftsvertretung erwarten würde - mit oder ohne gesetzliche Mitgliedschaft. Glauben Sie mir, daran hängt nicht mein Herzblut! Mein Herzblut hängt an der Nichtmöglichkeit der Mitwirkung an ihrer Ausgabengestaltung durch die Mitglieder, weil Sie sich die Beiträge über Gesetze holen. Die Mitgliedschaft selbst ist nicht das Problem, sondern der unvernünftige, teilweise unredliche und teilweise schädliche Gebrauch, den Sie von dem Geld machen. Das ist das eigentliche Übel.

In diesem Falle - ich sage das, obwohl ich nicht der Ex-offo-Verteidiger der Arbeiterkammer bin - könnten Sie von Ihren Kollegen in der Arbeiterkammer vielleicht ein bißchen lernen. Dort haben sie auch ihre Probleme, aber in dieser Hinsicht sind sie ein bißchen straffer organisiert. Es ist dort nur merkwürdig, daß wir zwei gleich starke Organisationen nebeneinander haben, ÖGB und AK, Verein und durch Gesetz geregelte Organisation. (Abg. Nürnberger: Was ist daran merkwürdig?) Das würde nach einer tiefgreifenden Reform rufen. Ich sage nicht, mit welchem Ergebnis, aber das würde nach einer tiefgreifenden Reform rufen. (Abg. Verzetnitsch: Wo ist das Problem?)

Das Problem ist, daß sich dort letztlich ein merkwürdiges Wechselspiel ergibt. Selbstverständlich brauchen Sie das, weil Sie zwei Rote brauchen, damit Sie gegen zwei schwarze Sozialpartner den Proporz halten können. (Abg. Koppler: Aber geh!) Aus anderen Gründen hätte das relativ wenig Sinn. (Abg. Nürnberger - die Hände zusammenschlagend -: Na!) Daß mir die Gewerkschaften sympathischer sind, nämlich vom Grundsatz der freiwilligen Organisation her sympathischer sind, das bestreite ich keine Sekunde. Aber ich meine, daß sich die Synergie zwischen diesen beiden Organisationen beliebig verbessern ließe. (Abg. Verzetnitsch: Sie verbessern sie ja auch!)

Zum Beispiel ließe sich die Gewerkschaft dabei auch demokratisieren. Allerdings ist das ihr eigenes Problem, weil sie ein Verein ist und es selbst machen muß. Aber zeigen Sie mir einmal, wo in der Gewerkschaft die Mitglieder jemals gewählt haben! (Abg. Verzetnitsch: Laufend! - Abg. Nürnberger: Laufend!) Zeigen Sie mir das, zeigen Sie mir, wo man als gewöhnliches Gewerkschaftsmitglied einmal wählen kann! Zeigen Sie mir das! (Abg. Grabner: Sie haben überhaupt keine Ahnung! - Abg. Verzetnitsch: Laufend!) Ich bin seit 1978 gewerkschaftlich organisiert, aber ich bin noch zu keiner einzigen Wahl eingeladen worden. Zu keiner einzigen Wahl! Wenn Sie mir die Betriebsratswahlen vorhalten, dann sage ich Ihnen: Dazu muß ich nicht Gewerkschaftsmitglied sein. Das hat eine andere Rechtsgrundlage. Wenn Sie indirekte Wahlverfahren anwenden, dann seien Sie bescheidener in Ihrer Kritik in anderen Bereichen.

In der Arbeiterkammer haben Sie die Wahlrechte - mit Ausnahme des passiven Wahlrechtes - vorbildlich reformiert. Das habe ich heute schon gesagt. Seien Sie nicht so wehleidig, wenn dann einmal ein wunder Punkt zur Sprache kommt! (Abg. Edler: Das ist kein wunder Punkt! Wenn Sie nicht zu Versammlungen gehen ...!) Das ist ein demokratiepolitisches Defizit, und nur die Geduld Ihrer Gewerkschaftsmitglieder erlaubt es Ihnen, das so zu machen. Daher bitte ich Sie: Nehmen Sie das nicht als bösartig, und sagen Sie nicht immer sofort pfui. Denken Sie lieber


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