Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 134. Sitzung / Seite 94

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als christlich definiert oder der sich selbst als sozialdemokratisch definiert und noch dazu gemeinsam in einer Regierung sitzt, so etwas für erträglich hält. Ich halte das nämlich für unerträglich. (Beifall beim Liberalen Forum sowie bei Abgeordneten der Grünen.)

Von ähnlicher Qualität sind zehn dieser zwölf Vorbehalte. Daher darf ich jetzt folgenden Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Kier, Mag. Stoisits, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zurückziehung der Vorbehalte und Erklärungen Österreichs zum Europäischen Übereinkommen über Staatsangehörigkeit

Der Nationalrat möge beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, ihre Erklärungen Nr. 1 bis 10 zum Europäischen Übereinkommen über Staatsangehörigkeit zurückzuziehen. Sollten dadurch Bestimmungen dieses Übereinkommens mit Bestimmungen des österreichischen Staatsbürgerschaftsgesetzes oder anderen Gesetzen unvereinbar sein, ist dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zu übermitteln, mit deren Beschlußfassung die Widersprüche zu dem Übereinkommen beseitigt werden."

*****

Ich appelliere an die Kolleginnen und Kollegen in den Regierungsparteien: Jetzt und nur noch heute haben Sie die Chance, sich einen schweren Gesichtsverlust zu ersparen (Abg. Dr. Partik-Pablé: Bei wem sollen wir das Gesicht wahren?), den Gesichtsverlust, daß Sie mit Mehrheit hier ein Regierungsübereinkommen mit Vorbehalten beschließen, welches zum Beispiel unehelich geborene Kinder schwer diskriminiert. Wenn Sie das gerne möchten, dann müssen Sie so abstimmen, wie Sie es wahrscheinlich schon vereinbart haben, und weil Sie Ihr freies Mandat ohnedies schon in einen Regierungspakt umgegossen haben, werden Sie wahrscheinlich zustimmen müssen. Aber ich meine, Sie sollten sich wirklich überlegen, ob das nicht eine Chance wäre. Die Bundesregierung hätte Zeit, sich zu überlegen, in welcher Form sie diese Vorbehalte, die sie ja schon erklärt hat, zurückzieht und welche Verbesserungen dazu im Staatsbürgerschaftsrecht notwendig sind.

Wir wären diesbezüglich diskussionsbereit. Ich meine, es wäre mehr als sinnvoll, wenn Sie das täten, denn einmal abgesehen von der Unerträglichkeit der Diskriminierung, die Sie hier vornehmen, haben Sie sich schon überlegt, welch "vorbildlichen" Eindruck das auf Mitunterzeichner des Europäischen Übereinkommens macht, wenn in den Protokollen, die international verteilt und letztlich auch hinterlegt sind, solche Vorbehalte drinnen stehen? Diese Vorbehalte lesen alle anderen 50 mitunterzeichnenden Staaten, und alle, die das lesen, haben ein ziemlich präzises Bild vom Zugang der Republik Österreich zu Menschenrechten, zur Menschenwürde, zur Gleichheit und insbesondere zum Umgang mit Kindern in diesem Fall.

Daher bitte ich Sie noch einmal: Stimmen Sie dem Entschließungsantrag, den ich zur Verlesung gebracht habe, zu! Das Übereinkommen für sich ohne die österreichischen Vorbehalte ist nämlich modern und fortschrittlich. Es steht allerdings in einem schweren Kontrast zur Staatsbürgerschaftsnovelle, die Sie hier vorlegen. Sie brauchen die Vorbehalte, um Ihre Staatsbürgerschaftsnovelle zu schützen. Das habe ich verstanden, aber ich kann es nicht akzeptieren. Nützen Sie daher den Weg dieses Entschließungsantrages! Er gibt der Regierung Zeit, weil sie nicht sofort handeln muß, sie hat eine Übergangsfrist zur Erfüllung dieser Entschließung. Es ist noch reparierbar, es ist noch nicht zu spät. Das heißt nicht, daß wir die Schleusen öffnen wollen, sondern das heißt nur, daß wir dem Rechtsstaat zu seinem Recht verhelfen wollen. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

17.52


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