Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 135. Sitzung / Seite 169

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Ich stimme mit Kollegen Höchtl im Bereich der Möglichkeit des Nachholens des Hauptschulabschlusses zwar überein – du hast schon recht, daß es Konsequenzen haben muß, wenn jemand die Schule nicht geschafft hat –, aber nehmen wir doch zur Kenntnis, daß etwa 4 000 Schülerinnen und Schüler die Pflichtschule ohne positiven Abschluß verlassen. Diese erfahren zurzeit auf dem Arbeitsmarkt, daß sie kaum die Chance einer Eingliederung haben. Ja ist es denn etwas Negatives, wenn man diesen jungen Menschen sagt: Ihr könnt noch einmal in die Schule zurückkommen, wir werden uns ganz besonders um euch bemühen!, und ihnen quasi kostenfrei die Möglichkeit gibt, positiv abzuschließen? (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Schweitzer: Das ist eine wunderbare Erklärung für das Schönen von Statistiken!) Ja, das ist deine Einstellung, Karl! (Abg. Dr. Krammer: Er versteht es nicht besser!)

Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte, ehe ich auf ein paar Punkte des Gesetzespaketes, das wir beschließen wollen, eingehe, darauf hinweisen, daß am heutigen Tag in diesem Haus der Bedeutung von Bildung, der Bedeutung von lebensbegleitendem Lernen nicht nur jetzt das Wort geredet wird, sondern auch am Vormittag insbesondere vom Herrn Wirtschaftsminister und vom Herrn Finanzminister ganz besondere Bedeutung zugemessen wurde. Wiederholt haben sie in ihren Ausführungen gesagt, wie wichtig es ist, Weiterbildung sicherzustellen, wie wichtig es ist, der Bildung einen ganz besonderen Stellenwert einzuräumen, weil sich in unserer Gesellschaft auf dem Arbeitsmarkt derzeit enorm viel verändert und Ausbildung wahrscheinlich die einzige echte Chance ist, weiterzukommen.

Zu den meines Erachtens wichtigsten Punkten: Zunächst zur Flexibilisierung, der Kindorientierung des Schulstartes. Ich meine, die Flexibilisierung der Schulstartphase, also der gesamten Grundstufe 1, in der die Schulanfänger künftig ein, zwei oder drei Jahre verbleiben können, wird einerseits eine konsequentere Beachtung der unterschiedlichen Lernfähigkeiten und Lernvoraussetzungen ermöglichen, und andererseits kann zusätzlich das individuelle Lerntempo des einzelnen Kindes entsprechend berücksichtigt werden. Es wird daher meines Erachtens in Hinkunft keine Zurückstellung vom Schulbesuch mehr geben, es wird wesentlich weniger demotivierende, negative Beurteilungen geben, weil ja Zeit ist, es wird weniger negative Versetzungsmaßnahmen geben. Und im Falle – darauf wurde schon hingewiesen – einer besonderen Begabung und einer deutlich überdurchschnittlichen Leistung können Schulanfänger die Grundstufe 1 bereits nach einem Jahr in Richtung dritte Schulstufe, in Richtung dritte Klasse der Volksschule verlassen, also ein Jahr überspringen.

Ich glaube also, daß die nunmehr flexiblere Gestaltung der Schulstartphase es ermöglicht, auf den einzelnen Schulanfänger wirklich entwicklungsspezifisch einzugehen. Ich betone diese Vorzüge deshalb so deutlich, weil wir aus Statistiken und Evaluationen wissen, daß derzeit knapp 20 Prozent der österreichischen Schulanfängerinnen und Schulanfänger in der Schulstartphase Negativerlebnisse haben. Ich möchte nicht von einem Fehlstart sprechen, aber ich meine, derartige Maßnahmen, wie wir sie heute einführen, sind allemal in der Lage, Fehlstarts in Hinkunft zu vermeiden.

Wir Sozialdemokraten – und ich sage das hier ganz offen – hätten uns selbstverständlich auch erwartet, daß wir im Bereich der flexiblen Schuleingangsphase alternative Beurteilungsformen umsetzen können. (Demonstrativer Beifall des Abg. Dr. Stippel. )

Wir meinen, daß auch das ein Beitrag sein könnte, um zu Leistung und zum Lernen zu motivieren, Mut, Freude und Zuversicht an der eigenen Leistungsfähigkeit aufzubauen und sicherzustellen. Werte Kolleginnen und Kollegen, das ist aber jetzt nicht so zu qualifizieren, daß der eine oder andere über den Tisch gezogen worden oder der eine oder andere umgefallen ist. Das war eben ein zu erkämpfender, ein zu erarbeitender Kompromiß. Und es ist dabei eben herausgekommen, daß wir zunächst bei der Ziffernbeurteilung verbleiben, eine zusätzlichliche Leistungsbeschreibung aber möglich ist. 25 Prozent der Schulen bundesweit können Schulversuche zu alternativen Beurteilungen durchführen, und ich garantiere – ich glaube, das kann ich sagen –, es wird kein Ansuchen um alternative Beurteilung, das an das Unterrichtsministerium gestellt wird, aufgrund eines zu hohen Prozentsatzes abgelehnt werden. (Demonstrativer Beifall der Abg. Dr. Krammer. ) Ich meine, das ist doch auch ein Schritt, der sehr wohl zu begrüßen ist.


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