Frau Bundesministerin! Der Untertitel unserer Aktuellen Stunde heißt "Arbeit für mehr Menschen". Wir dürfen in der Diskussion nicht ausschließlich bei den Instrumenten steckenbleiben. Sie haben selbst zu Recht gesagt, die Sache darf nicht von oben verordnet werden, sondern sie muß in den Unternehmen entstehen und möglich sein. (Beifall beim Liberalen Forum.)
Das ist richtig! Wir wollen nicht, daß es von oben verordnet wird, darin sind wir uns einig. Wir wollen jedoch, daß die Ordnungsräume, die von oben kommen, unten mehr möglich machen, und das bedeutet Flexibilisierung. (Beifall beim Liberalen Forum.)
Frau Bundesministerin! Sie haben dann gemeint: Wir werden uns dagegen wehren, daß Standards über Bord geworfen werden und die soziale Sicherheit aufgeweicht wird. - Diese Aussage weise ich deswegen zurück, weil damit unterstellt wird, daß jemand, der Reformen will, die selbstverständlich Veränderung bedeuten, dann Standards aufweichen und über Bord werfen will.
Etwas anderes an die Stelle des Bisherigen zu setzen, heißt immer von irgendeiner liebgewonnen Gewohnheit Abschied nehmen. Die Frage ist nur: Ist das andere besser geeignet für die Zielerreichung, adäquater für den einzelnen Menschen und überhaupt dem Gesamtanliegen entsprechend? - Darüber muß man diskutieren und nicht darüber, ob das Bisherige vor 100, 50, 30 oder vor 20 Jahren wacker erstritten wurde. Darüber, ob das, was wir eigentlich brauchen, nicht vielleicht etwas anderes ist, muß diskutiert werden.
Ich verstehe die Verhandlungsposition, daß man so lange am bereits Erworbenen festhält, solange man das Neue noch nicht ausverhandelt hat - das verstehe ich. Aber das ist auch eine Frage des Tempos, denn die Probleme, über die wir heute diskutieren, liegen nicht erst seit heute auf dem Tisch, Frau Bundesministerin! Sie werden, so fürchte ich, auch noch in den nächsten Jahren auf Ihrem Tisch liegen.
Sie haben gemeint, Sie könnten nicht auf alles eingehen. Das ist richtig! Aber wir werden diesen Tagesordnungspunkt auf der Agenda halten. Sie werden neuerlich Gelegenheit dazu bekommen, auf diese Sache einzugehen - nur dann vielleicht in einem anderen Zusammenhang.
Die Frage, wie man mehr Menschen Arbeit ermöglicht, ist sowohl sozialpolitisch als auch wirtschaftspolitisch als auch gesellschaftspolitisch eine der Schlüsselfragen. Das ist eine Frage des Zusammenhaltes der Gesellschaft schlechthin, und es ist auch die Frage der Überlebensabsicherung der gesamten Gesellschaften. Sie können soziale Systeme nur in einer Gesellschaft entwickeln, die insgesamt leistungsfähig genug und dazu bereit ist, diese auch darzustellen. Sie dürfen auch nicht dadurch, daß sie teilweise zu restriktiv und zu wenig flexibel sind, bewirken, daß die Leute zu verweigern beginnen, denn das wäre das Übelste, was uns passieren kann.
Obwohl Sie dafür nicht unmittelbar zuständig sind, gibt es natürlich noch eine entscheidende zentrale Frage: Wie schafft man eine Neuorganisation, eine Flexibilisierung und eine zeitgemäßere Gestaltung des öffentlichen Dienstes? - Das ist nämlich auch eine Arbeitswelt, aber leider eine Arbeitswelt, die im Regelfall nach antiquierten Regeln abläuft. Dort wird nach wie vor an der Pragmatisierung in einem unverhältnismäßigen Ausmaß festgehalten, dort wurde bis jetzt eine Neudefinition der Aufgaben versäumt so wie auch eine Neuorganisation der Form der Wahrnehmung der öffentlichen Aufgaben. Öffentliche Aufgaben können auch delegiert werden, sie müssen nicht nur von der öffentlichen Hand unmittelbar und allein gemacht werden. (Beifall beim Liberalen Forum. - Abg. Dr. Nowotny spricht mit Frau Bundesministerin Hostasch.)
Frau Bundesministerin! Zur Frage der sozialen Absicherung. Kollege Nowotny beschäftigt sich gerade mit Ihnen und lenkt Sie ab. Herr Kollege Nowotny! Ich würde Sie herzlich bitten, erst beim nächsten Redner mit der Frau Bundesministerin zu sprechen, da stört es mich weniger, denn das wird Kollege Verzetnitsch sein, bei dem Sie vielleicht schon wissen, was er sagen will.
Frau Bundesministerin! Sie begrüßen Flexibilisierung, daher begrüßen Sie auch Teilzeitarbeit, doch Sie steigen nicht gleichzeitig fundamental in die Diskussion ein. Uns ist wichtig, wie man die sozialen Ansprüche von Menschen, die in Teilzeit arbeiten, absichert. Möglicherweise reicht der bei Teilzeitarbeit erzielte Lohn nicht aus, um ein Leben zu führen, das man sich wünschen
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