Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 136. Sitzung / 36

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich bitte um den Schlußsatz!

Abgeordneter Mag. Herbert Haupt (fortsetzend): Sehr geehrte Damen und Herren! Ich meine, wenn Österreich nicht endlich umdenkt und die Headlines zum Inhalt der Gesetze macht, werden wir in einem Jahr wieder über das gleiche diskutieren, nämlich über zu wenig Beschäftigung und mehr Hemmnisse in der Wirtschaft. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.24

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. - Bitte.

10.24

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Guten Morgen, Frau Bundesministerin! Werter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Abgeordnete Schmidt! Ich teile Ihre Kritik an den informellen Gipfeln, sosehr ich auch davon überzeugt bin, daß es notwendig ist, informelle Gipfel zu veranstalten. Frau Bundesministerin! Aber von der Warte aus, wie das präsentiert wurde und welchen Eindruck die Menschen dabei haben mußten - angesichts der dringenden Themen wie Arbeit oder Umwelt -, wenn man sieht, die Minister sind auf Reisen, auf Visite, auf Besichtigungstour, war das nicht gut. - Soweit zu diesem Punkt.

Aber, Frau Abgeordnete Schmidt, das war mir auch zuwenig. Das Thema lautete: Arbeitszeitflexibilisierung als Chance für Europa, Arbeit für alle. (Abg. Dr. Schmidt: Das war nur der Einstieg!) - Dann sollte noch das Thema Steuer und Grundsicherung gestreift werden, aber zum Thema selbst - das war nicht nur Ihr Beitrag, sondern auch der Beitrag von einigen Nachrednern; Herrn Abgeordneten Verzetnitsch nehme ich in diesem Zusammenhang aus - hörte man nur allgemeine Stehsätze. Ich bin wieder Ihrer Meinung, Frau Abgeordnete Schmidt, wenn Sie sagen, die Bekenntnisse stehen mir schon bis da her. Aber es wäre auch notwendig und wünschenswert gewesen, von seiten des Liberalen Forums etwas zu hören, was man sich darunter vorstellt.

Der amerikanische Sozialwissenschafter Richard Sennet hat ein Buch geschrieben, das 1998 erschienen ist und den Titel hat: "Der flexible Mensch" - damit bin ich beim Thema -, in dem er sich mit Ursachen und Wirkungen der Arbeitszeitflexibilisierung und der Flexibilisierung ganz allgemein auseinandersetzt. Er beschreibt dabei, daß es für die Menschen sehr wohl möglich ist und sie diese Arbeitszeitflexibilisierung auch als Chance wahrnehmen, um vorwärtszukommen, um sich in diesem Konkurrenzkampf durchzusetzen.

Aber - das ist das entscheidende bei Richard Sennet - er sagt, die Menschen machen zwar mit, aber sie sind nicht so biegsam - ein Wortspiel mit der Flexibilität -, wie es die Wirtschaft sein kann, weil das Leben des Menschen nicht nur die Arbeit ist, sondern auch etwas darüber hinaus. Diese Beziehungen des Menschen lassen sich nicht nach den Imperativen der Wirtschaft allein gestalten.

Das ist der Grund dafür - das führt mich eigentlich zur anfänglichen Debatte, die furchtbar und erschreckend war -, warum die Menschen nicht mehr zurechtkommen, weil sie auf der einen Seite in der Wirtschaft bei sich immer stärker verändernden Bedingungen und Anforderungen Flexibilisierungswünschen nachlaufen müssen und versuchen mitzuhalten und auf der anderen Seite in ihrem privaten Leben keine Zeit mehr für ihre Beziehungen, für ihre Kinder, für die anderen Menschen haben, die es auch noch gibt. Deshalb suchen sie nach autoritären Lösungen, nach starren Lösungen, nach Lösungen der Vergangenheit und schlagen vor, die Kinder so zu erziehen, wie das vor 100, 200 oder 300 Jahren gemacht wurde - aus Angst, mit diesem Leben anders nicht mehr zurechtzukommen.

Das ist aber der Punkt, der im Zusammenhang mit der Arbeitszeitflexibilisierung wichtig wäre. Auch die Grundsicherung wäre wichtig und ernsthaft zu diskutieren. Das Wichtige dabei ist aber, daß wir die Menschen nicht aus dem Auge verlieren dürfen, die Menschen, die den sich immer ständig verändernden Bedingungen in der Wirtschaft, in der Arbeitswelt hinterherlaufen müssen, die versuchen, das einzuholen, dem nachzukommen, das zu erfüllen, aber in ihrem ganzen


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