Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 136. Sitzung / 37

Leben, das nicht nur aus Arbeit besteht, daran zerbrechen und autoritäre Lösungen einfordern, weil sie glauben, so könnten sie besser damit zurechtkommen.

Das ist es, was mir bei den immer wieder stark betonten Forderungen nach noch mehr Flexibilisierung und bei Aussagen wie: Wir wollen alles machen, damit nur irgendwie die Menschen damit zurechtkommen!, Angst macht, nämlich daß wir dabei die Menschen aus den Augen verlieren. Denn es geht nicht darum, daß die Wirtschaft oder die Menschen zuwenig flexibel wären. Millionen Überstunden werden pro Woche in Österreich gemacht. 20 Millionen Überstunden! Ist das zuwenig? Oder ist das nicht eher zuviel? Brauchen wir mehr Nachtarbeit, brauchen wir noch mehr Sonntagsarbeit, etwa für die Bankangestellten, wie das auf europäischer Ebene verhandelt wird? Sollen diese auch am Sonntag arbeiten, damit man dann am Sonntag einkaufen kann? Oder geht es nicht eher darum, daß man dabei das Leben auch im Auge behält, daß die Menschen nicht an ihren Arbeitsverhältnissen zerbrechen, sondern daß sie in ihren Arbeitsverhältnissen - Kurzzeit oder wie auch immer sie gestaltet sind - auch etwas verdienen, und zwar genügend Geld?

Denn das Thema Grundsicherung ohne Arbeit kommt nur deswegen in die Debatte, weil die Menschen durch die Arbeit nichts mehr verdienen. Wenn sie aber durch die Arbeit nichts mehr verdienen, weil das Einkommen zu gering ist, dann stelle ich die Frage, ob das Einkommen ohne Arbeit ausreichen wird, um ihnen eine Perspektive zu bieten.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich bitte um den Schlußsatz!

Abgeordneter Karl Öllinger (fortsetzend): Deshalb denke ich, es ist wichtig, die Arbeit im Auge zu behalten, aber bitte vergessen wir dabei nicht das Leben der Menschen! (Beifall bei den Grünen.)

10.30

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Schaffenrath. - Bitte.

10.30

Abgeordnete Maria Schaffenrath (Liberales Forum): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kollege Verzetnitsch - aber ich kann es auch in Ihre Richtung sagen, Frau Sozialministerin -, ich meine, es ist gut und schön, hier von dieser Stelle aus aufzuzählen, was es denn nicht schon alles Neues an Modellen gebe - vom Solidaritätsprämienmodell über Bildungskarenz hin bis zur Gleitpension. Was aber immer wieder dazuzusagen vergessen wird, ist, wie wenige Menschen eigentlich diese neuen von Ihnen initiierten Modelle in Anspruch nehmen. Das scheint schon auch daran zu liegen, daß diese sehr bürokratisch sind, daß sie schwer abwickelbar sind. Es scheint vor allem daran zu liegen, daß es Ihnen bisher nicht gelungen ist, den Menschen diese Modelle näherzubringen.

Es tut mir besonders leid, daß Herr Kollege Verzetnitsch nicht mehr da ist, weil ausgerechnet er als Sozialdemokrat unser Modell der Grundsicherung ... (Abg. Verzetnitsch: Ich bin hier!) - Ich bin ja froh, daß ich Sie sehe, denn Ihnen muß ich das besonders erklären, weil ausgerechnet Sie unser Modell der Grundsicherung einem Kinderbetreuungsscheck gleichstellen, zumindest haben Sie eine bedeutende Ähnlichkeit damit nicht von sich aus in Abrede gestellt.

Eines möchte ich Ihnen schon sagen: Wir haben nie behauptet, die Grundsicherung wäre ein reines frauenpolitisches Instrument. Wir haben immer gesagt, es geht uns um die existentielle Absicherung aller Menschen. Es geht uns darum, die Basis für eine Neuverteilung von Arbeit, auch für eine Neuverteilung von Arbeit zwischen Männern und Frauen zu schaffen, und es geht uns darum, die Basis zu schaffen, flexiblere Arbeitszeitmodelle, Bildungskarenz und so weiter auch lebbar zu machen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Der Kinderbetreuungsscheck geht in eine ganz andere Richtung, Herr Kollege Verzetnitsch. Er hat eine ganz andere Zielsetzung. Da geht es auch um eine Umverteilung von Arbeit, nämlich von Frauenarbeit zur Männerarbeit. Da geht es darum, die Frauen aus dem Arbeitsmarkt zu verdrängen. Herr Kollege Feurstein hat ja gesagt, dann können die Mütter zu Hause bleiben, und das wäre Chancengleichheit. - Das ist keine Chancengleichheit! Alle Studien belegen, daß


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