Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 138. Sitzung / 154

72 000 Bürgerinnen und Bürger. Ich meine, das ist eine Zahl, über die man sich schon Gedanken machen muß.

Sie von der Volksanwaltschaft haben in Ihrem Bericht auch einige Fragen bezüglich Gebührenbefreiung aufgeworfen. Diesbezüglich wäre, so meine ich, wohl eine grundsätzliche Debatte notwendig. Ich halte nichts davon, mit ungemein viel Aufwand kleine Befreiungselemente dort zu erreichen, wo der Aufwand oft größer ist als der Erfolg – und dann so manche Verärgerung zurückbleibt.

Interessant ist meiner Ansicht nach, daß die Zahl der Prüfungsverfahren im Bereich der Landes- und Gemeindeverwaltung deutlich rückläufig ist. Dem Bericht der VA kann man entnehmen, daß es gerade im Bereich Zivilrecht sehr viel an Auskunftsbedarf gibt. Sie, meine Damen und Herren von der Volksanwaltschaft, haben sich in verschiedenster Weise mit all diesen Fragen beschäftigt. Für mich persönlich ist es aber doch merkwürdig, daß 67 Prozent all dieser zivilrechtlichen Fragen, die Sie nicht erledigen konnten, das Familienrecht betreffen. Daraus kann man doch wohl erkennen, daß es diesbezüglich wirklich Handlungs- und Beratungsbedarf gibt.

Daher möchte ich im Zusammenhang mit diesem Bericht den Vorschlag einbringen – nämlich gerade für den soeben angesprochenen Bereich, da das Leben ja nicht gerade einfacher geworden ist –, mehr Beratungsstellen zu installieren, und zwar Beratungsstellen vor Ort, Beratungsstellen dort, wo der Bürger wirklich hingehen kann, denn man muß wissen: Es gibt sehr wohl die Möglichkeit, kostenlos Auskunft bei Gerichten oder bei Anwälten zu erhalten, nur ist die Hemmschwelle vieler Menschen, dorthin zu gehen, oft sehr groß. Und das ist auch der Grund dafür, warum so viele Menschen letztlich zu Ihnen von der Volksanwaltschaft kommen.

Wir können also, nochmals gesagt, aus diesem Bericht herauslesen, daß diesbezüglich für uns alle Handlungsbedarf gegeben ist, denn die Sorge um die Familien muß für uns tagtäglich von großer Bedeutung sein.

Komplexe Verfahrensläufe verunsichern die Bürger, gar keine Frage. Wir müssen auch da nicht nur neue Möglichkeiten schaffen, sondern ein neues Bewußtsein muß dieser ganzen Entwicklung letztlich zugrunde gelegt werden.

Ich darf nunmehr auf Ihren Hinweis zu sprechen kommen, daß Sie Ihre Prüfer- und Beratertätigkeit nur dann umfassend ausüben können, wenn Ihnen eben die entsprechenden Möglichkeiten dazu geboten werden. – Ich weiß, Sie erwarten, mehr Mitgestaltungsmöglichkeiten in bezug auf die Gesetzgebung zu erhalten. Ich meine, daß der zuletzt eingesetzte Unterausschuß eine Möglichkeit dazu bietet, über all diese Fragen nachzudenken, zu diskutieren, natürlich auch über die Prüftätigkeit in aus der Bundesverwaltung ausgegliederten Betrieben.

Der Bürger versteht das sehr oft nicht. Er sagt, früher war das alles möglich, jetzt ist der Betrieb ausgegliedert, aber ich habe dringende Fragen, die mich, die mein Leben berühren – und mir gibt keiner eine zufriedenstellende Auskunft. – Da ist natürlich schon anzumerken, daß wir eine vollkommen neue Rechtslage haben, und die kann man eben nicht eins zu eins, so wie früher fortschreiben, sondern wir müssen uns dieser neuen Situation anpassen. Das sind Denkaufgaben, die uns allen gestellt werden.

Abschließend: Man sollte auch sagen, daß es geradezu wohltuend ist, zu wissen, daß Sie von der Volksanwaltschaft sich nicht nur in den Landeshauptstädten Begegnungen und Gesprächen mit Bürgern stellen, sondern auch in die Vororte gehen und dort den Menschen Ihre Hand reichen. Ich persönlich habe mit Frau Volksanwalt Ingrid Korosec einige solcher Begegnungen mit Bürgerinnen und Bürgern erlebt, von denen ich tief beeindruckt war.

Diese Gespräche wurden außerhalb der Sprechstunden auf offener Straße oder in Lokalen direkt mit den Menschen geführt. Das ist die Art, wie Bürger gerne Beratung haben und wo man wirklich helfen kann. Das möchte ich sehr deutlich aufzeigen. (Beifall bei der ÖVP.)

Sie haben uns in Ihrem Bericht und auch in einer Sitzung des Verfassungsausschusses mitgeteilt, daß Sie auch viel Kontakt mit Bürgern aus östlichen und nördlichen Nachbarländern


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