Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 139. Sitzung / 75

Wirtschaft in eine andere Wirtschaft begeben, nämlich auf der einen Seite Film verordnen und auf der anderen Seite Film nicht ermöglichen. Wir haben in Österreich keine Drehbuchautoren, die auf internationalem Niveau stehen. Es gibt keine Infrastruktur auf internationalem Niveau. Es steht natürlich auch kein Geld zur Verfügung, weil es keine Abschreibungsmodelle gibt, und ich glaube, wir haben auch überhaupt keine Produzenten, wie das an der letzten Lehner-Produktion abzulesen war. Ich meine, Geld ist das eine, Strukturen in diesem Bereich aufzubauen ist das andere. (Beifall bei der ÖVP.)

Und jetzt möchte ich zu dem Thema kommen, das mich gestern schon verfolgt hat und das natürlich wieder einmal die Freiheitlichen – nicht ganz aus Uneigennutz, das muß man schon dazusagen – angezogen haben. Ich möchte dazu ein paar Worte sagen.

Natürlich gibt es Menschen, die mit der Kulturproduktion – und das meine ich jetzt durchaus quer durch alle Parteien – Probleme haben, die nicht verstehen, was hier läuft, die nicht ganz genau wissen, was damit gemeint ist. Ich möchte mich in die Lage dieser Menschen versetzen, und ich tue dies, indem ich sage, daß ich auch Probleme habe – etwa mit der Quantenphysik oder mit einem Teilchenbeschleuniger. Aber ich nehme mir hier nicht heraus, zu sagen: Das sind alles Verbrecher, das sind alles Abzocker, das sind alles Idioten. Das muß einmal klar sein! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Also ich glaube, wir sollten hier zu einer Haltung kommen – und ich schließe da die Freiheitlichen nicht aus –, wo wir uns fragen: Wie können wir das tolerieren? Wie können wir mit dem Unverständnis umgehen? Auffällig wird das nur (Abg. Scheibner: Erklären Sie mir das!), auffällig wird das nur ... (Abg. Scheibner: Ich würde es gerne verstehen, Herr Morak! Erklären Sie mir das!) Hören Sie mir zu, dann werden Sie es verstehen! Auffällig wird das nur, wenn wir am Ende dieses Jahrhunderts noch immer mit Menschen und Politikern zu tun haben – vor allem Politikern –, die ihren Freud nicht gelesen haben, die ihren Kafka nicht gelesen haben, die ihren Schnitzler nicht gelesen haben, die die Abgründe der Seele leugnen – denn etwas anderes kann es ja nicht sein, warum Sie das dauernd hier vorlesen – und die wider besseres Wissen aus politischem Kalkül die Steinzeit hier in das 21. Jahrhundert verlagern!! (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie beim Liberalen Forum. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) – Ich kann es Ihnen auch ruhig sagen: die Steinzeit ins 21. Jahrhundert verlagern.

Ich möchte jene Leute, die möglicherweise ein Problem mit moderner Kunst haben, an einen Rockmusiker erinnern, der Frank Zappa hieß und einmal gesagt hat: Es ist kein Ton auf meiner Gitarre so grauslich, um damit Krieg, Tod, Sterben und Leid darstellen zu können.

In einer Zeit, in der wir im TV ununterbrochen mit Bildern von realem Geschehen konfrontiert werden, die so grauslich sind, daß sie Menschen in Wahrheit undenkbar sind (Abg. Jung: Umso mehr brauchen wir Gutes, Positives!), plädieren Sie für das ewige Biedermeier (Abg. Jung: Nein, aber es ist besser als der Kolig!): Biedermeier in den Theatern, in der bildenden Kunst, im Film, in den Büchern, überall. Also ich muß Ihnen sagen, wenn es nach Ihnen ginge, hätte es ja nicht einmal Grimms Märchen gegeben. (Beifall bei ÖVP und SPÖ, bei den Grünen sowie beim Liberalen Forum.)

Kunst ist: Als ob! Das haben Ihnen die Zeitungen geschrieben, das haben Ihnen die Leute gesagt: Als ob! Das ist eine Fiktion. Und eine Fiktion ist nichts Unanständiges, auch wenn Sie anderer Meinung sind. (Abg. Dr. Fekter: Das ist etwas, was sie nicht verstehen! – Abg. Mag. Stadler: Im Parlament spielt er derzeit das Rumpelstilzchen! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Angesichts des Genozids an den deutschen und österreichischen Juden das Wort "Tat" zu schreiben und über den Lokus "Ort" zu schreiben, ist angesichts dieser Tat ein verzweifelter Euphemismus. Der Begriff "Fäkalkunst", den Sie immer verwenden, greift hier viel zu kurz. Das hätten Sie gerne. Das ist weniger als Tatsachenbeschreibung, weil hier die Kunst ausläßt. (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler.)

Schauen Sie, Herr Stadler! Wir haben Sie heute kennengelernt: nicht als Stadler, sondern als St. Adler. Lieber St. Adler! Oder soll ich Herr Ajatollah zu Ihnen sagen? Denn Sie wollen ver


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