Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 139. Sitzung / 116

Herr Staatssekretär! Natürlich hängt die wirtschaftliche Entwicklung dieses Landes ebenso wie die Beschäftigung in diesem Land sehr wesentlich davon ab, wie hoch der Teil der Wertschöpfung dieses Landes ist, den der Staat an sich zieht, und wie hoch der Teil der Wertschöpfung im privaten Sektor bei Aufrechterhaltung der öffentlichen Leistungen – nur zu günstigeren Kosten effizienter und produktiver erbracht – ist.

Der private Konsum, der jetzt langsam wieder anspringt, war in den Jahren 1994, 1995, 1996 und 1997 unser großes Problem. Nur die starke Exportentwicklung, die sich dank des Beitritts zur Europäischen Union eingestellt hat, hat uns jenes Wirtschaftswachstum beschert, das wir heute haben.

Sie haben wirklich die Stirn, es als Erfolg zu verteidigen, daß wir bei einem durch Export gestützten Wirtschaftswachstum von 3 Prozent angelangt sind, wobei wir nicht wissen, wie sich die Frage der Börsenkrache, der Ostasienkrise, der Rußlandkrise und auch der Lateinamerikakrise im Jahre 1999 auswirken wird. In Zeiten – das ist eine reife Volkswirtschaft – eines optimalen Wirtschaftswachstums von real 3 Prozent verschulden Sie den Staat um weitere 70 Milliarden Schilling pro Jahr; das sind diese 2,6 Prozent, die Sie selbst genannt haben.

Gott sei Dank sind die Gemeinden und Länder etwas besser im internen Stabilitätspakt, sodaß die Schuldenquote insgesamt unter 2,3 Prozent gedrückt werden kann; das ist ohne Zweifel ein Erfolg. Aber es geht doch darum: Was tun Sie wirklich, wenn Sie keine kostenseitigen Einsparungen machen, wenn Sie keine neuen Strukturen schaffen, wenn Sie kein wirkliches Reengineering vornehmen, wie es alle anderen Unternehmungen in Österreich bereits getan haben, wie es sogar mit allen sozialen Schwierigkeiten bei der Bundesbahn gelingt, wie es bei einem Verbundkonzern gelingt? – Warum? – Weil es plötzlich einen Druck des Marktes gibt. Ebenso muß es bei der Post- und Telegraphenverwaltung gelingen, weil geschützte Bereiche auf Dauer nicht aufrechterhalten werden können.

Auf der einen Seite sind Menschen im exponierten Sektor, die täglich um ihren Arbeitsplatz zittern müssen, die von der Wucht des Wandels in der Arbeitswelt voll getroffen werden, die sich neu qualifizieren müssen, die schauen müssen, wie sie ihr Berufsleben mit einem zweiten oder gar dritten Beruf ausfüllen, auf der anderen Seite gibt es offensichtlich die von Ihnen verteidigte Kaste von Menschen, die immer noch im geschützten Bereich arbeitet. Meine Damen und Herren der Sozialdemokratischen Partei! Wo ist da die soziale Gerechtigkeit? Wo ist sie? (Beifall beim Liberalen Forum.)

Sie können nicht sagen, Sie wollen ein einheitliches Dienstrecht für Arbeiter und Angestellte, denn Sie werden den öffentlichen Dienst in seiner gesamten Breite mit hineinnehmen müssen. Herr Staatssekretär, entweder sind Sie in der Lage, da wirkliche Reformen einzuleiten – oder Sie kapitulieren vor der Beamtengewerkschaft, so wie es Ihr Vorgänger, Herr Dr. Neisser, bereits tun mußte. Dazwischen liegen zwölf verlorene Jahre in dieser Republik, zwölf Jahre einer großen Koalition, die nichts in diese Richtung getan hat, außer daß sie uns – wie auch Sie heute – sehr schöne Worte gesagt hat. Ich sehe aber nicht, was passiert, ich spüre es nicht, ich kann es nicht messen. Allerdings bin ich auch nicht im Olymp der Regierung zu Hause, sondern ich lebe zu ebener Erde. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Es ist recht spannend, wenn Sie über die Höhe der Steuer- und Abgabenquote herumdiskutieren und meinen, es wären 43,8 oder 44 Prozent. Sie werden noch etwas dazuzählen und die gesamte Belastung der Österreicher und Österreicherinnen in unserem Lande berücksichtigen müssen, nämlich das, was sie an die Europäische Union abliefern müssen, nämlich ungefähr 1,2 Prozent. Sie werden außerdem ein weiteres halbes Prozent des BIP einrechnen müssen, das nötig ist, um die Wirtschaftskammer und die Arbeiterkammer zu bezahlen. Auch das sind selbstverständlich alles in die Steuer- und Abgabenquote einzubeziehende Positionen. Das hat ja das Europäische Währungsinstitut getan und damit einen Drittvergleich von 45,7 Prozent geschafft.

Sie bestreiten es auch gar nicht, Herr Staatssekretär! Das ist die höchste Steuer- und Abgabenquote, die diese Republik jemals hatte, und das nach zwölf Jahren einer sozialistischen


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