Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 139. Sitzung / 159

ÖVP hat eine neue Facette bekommen, und wir haben bereits einen Vorgeschmack erlebt bei der heurigen Präsidentschaftswahl, als sich unser großer Thommy Klestil, der Bürgerpräsident, unabhängig von den Parteien, um die Unterschrift vom einfachen, anständigen, fleißigen Bürger bemüht hat.

Thomas Klestil ist vor die Kameras getreten und hat gesagt: Bitte, liebe Bürgerinnen und Bürger, ich möchte nicht mehr von den Parteien abhängig sein. Nein, ich will nicht. Die ÖVP, die ist nicht ganz korrekt. Da möchte ich nicht mehr dabei sein, von denen möchte ich nicht mehr aufgestellt werden. (Abg. Dr. Khol: Hat er nicht gesagt! Das hat er nicht gesagt!) Nein, vom Volk selber, meine Damen und Herren! – Und dann kam die Bitte an das große Herz der schwarzen Bürgermeister im Lande, die dann jedem Bürger, der zufällig ins Gemeindeamt gekommen ist, gesagt haben: Ah! Grüß Gott! Servus, Huber! Willst nicht auch unseren Thommy unterstützen? Geh, unterschreib gleich!

Dann wurden die "schönen" Unterstützungserklärungen – 60 000 oder mehr an der Zahl – nach Wien geschickt, mit einem roten Mascherl. – Das ist die neue Demokratie! Die ÖVP hat den neuen Bürger erfunden! Das ist das Demokratiepaket à la Khol und anderer Verfassungsbogenschützer und -bastler. (Heiterkeit bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Ich weiß schon, die ÖVP hat seit 1945 verbissen dafür gekämpft, daß dieses unglaubliche Privileg eines Volksvertreters, der mit lächerlichen 25 000 Stimmen in dieses Haus hereingewählt worden ist, auch noch festlegt, wer der Präsidentschaftskandidat seiner Partei sein darf. Gegen dieses Privileg müssen wir, unterstützt von allen wichtigen Medien – großformatig, kleinformatig – kämpfen, denn die Demokratie ist in Gefahr! Frau Schmidt hat überhaupt über die Stränge geschlagen: Sie hat gleich zwei Kandidatinnen unterstützt! (Abg. Rosemarie Bauer: ... hat sich selber darüber aufgeregt!) Ein Verbrechen! Eine Aushöhlung der Demokratie! Die Pinge im Parlament ist eingestürzt, das demokratische Substanzwasser ist abgeronnen, denn Frau Schmidt hat ein Instrument mißbraucht: Ihre Unterschrift! – Das hat Sie jahrzehntelang nicht gestört, Herr Khol. Jetzt plötzlich haben Sie entdeckt: Oh, Katastrophe! Volksbegehren!

Meine Damen und Herren! Das sieht auf den ersten Blick gar nicht so ungeschickt aus, denn Volksbegehren heißt ja Volksbegehren, was hat dabei ein Volksvertreter verloren? Pfui, pfui, pfui! Es haben doch glatt Volksvertreter Volksbegehren unterstützt! Das ist ja unglaublich! Das hört sich jetzt auf! Wir machen Volksbegehren viel eleganter. Wir schicken ein Rundschreiben an unsere ÖVP-Bürgermeister: Liebe ÖVP-Bürgermeister! Am so und so vielten im Dezember kriegt ihr die herrlichen Unterstützungsformulare. Diese werden aufgelegt in euren Gemeinden, und jedesmal, wenn Parteienverkehr ist, lädt das große Herz des Bürgermeisters seine Bürgerinnen und Bürger ein, ein echtes, demokratisches, schwarzes, Khol-schwarzes Volksbegehren zu unterschreiben. – Das ist Demokratie! Da lacht das Herz eines Khol! (Zwischenruf des Abg. Großruck.)

Meine Damen und Herren! Wissen Sie, was daran das Bösartige ist? (Ruf: Überhaupt nichts! – Abg. Dr. Leiner: Kasperl!) Das Bösartige daran ist folgendes: ... (Abg. Dr. Leiner: Kasperl! Kasperl!) Ja, hören Sie auf, Sie Pingendemokraten! (Abg. Dr. Leiner: Kasperl, blöder!) Es rinnt die Demokratie unterm Parlament durch mit Ihrer Politik! Da brauchen Sie keinen Farnleitner mehr und andere. (Abg. Dr. Leiner: Wurstel!)

Meine Damen und Herren! Ihre Praxis der Demokratie sieht so aus: Im Parlament hat der Volksvertreter einer kleinen Oppositionspartei oder einer größeren Oppositionspartei unglaublich viele Rechte. Er wird gewählt mit 25 000 Stimmen, dann kommt er in dieses Haus, ist fleißig – vor allem in den ersten Monaten und Jahren, denn er will zeigen, was er kann –, schreibt Anträge, und dann sitzen diese ausgepufften Profis in den Ausschüssen, wie Schwimmer, Khol und andere, und sagen: Sind die Anträge des Oppositionellen A schon reif wie ein Parmaschinken? Haben sie schon ihre sechs Monate auf dem Buckel? (Abg. Dr. Schwimmer: So gut hat es Ihr Parmaschinken? – Heiterkeit des Abg. Mag. Posch.) Können wir sie schon herausnehmen? Haben sie schon Schimmel? Dann können wir sie kurz auf die Tagesordnung setzen, um sie


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