Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 141. Sitzung / 47

Ich akzeptiere, daß dieser Einwand derzeit seine Richtigkeit hat und das Thema problematisiert. Ich denke aber auch, man kann auf der anderen Seite nicht übersehen, daß wir die Entwicklung in der Atomhaftung im Gesamtkontext der geschichtlichen Entwicklung und auch der zukünftigen Entwicklung zu betrachten haben. In diesem Spektrum ist es ganz einfach notwendig, Forderungen zu erheben. Die Forderung nach einer grenzüberschreitenden Haftung – nach der Geltendmachung eines Schadenersatzanspruches dort, wo der Schaden entstanden ist, und ohne den Geschädigten zu zwingen, ins Ausland zu gehen und den Schaden dort einzuklagen – ist ganz einfach eine neue Qualität der Durchsetzung.

Ich denke, daß dies eine Qualität der Durchsetzung ist, mit der es uns gelingen wird, das Haftungsrecht auch in internationalen Diskussionen durchzusetzen. Wir werden es umso leichter durchsetzen können, und wir werden umso leichter die Möglichkeit und die Qualität dieser neuen Haftungsregelung nachweisen können, als wir darauf hinweisen können, daß wir es im eigenen Land schon durchgesetzt haben. Daher ist es meiner Ansicht nach – auch wenn es noch ein langer und schwieriger Weg sein kann, das umzusetzen – einfach notwendig, in diese Richtung zu gehen.

Wir haben weiters – das hat Kollege Kier heute schon angedeutet – die sogenannte Kanalisierung der Haftung beseitigt. Was das bedeutet, ist einfach: Bis dato war es so, daß der Betreiber des Kraftwerkes zu haften hatte, nicht jedoch der Zulieferant von Bestandteilen des Kraftwerkes. Es kann aber selbstverständlich der Fall sein, daß letztlich ein gelieferter Bestandteil die Ursache eines Schadens war. Nun ist es völlig uneinsehbar, warum ich in dem Fall, in dem es ein Kraftwerk jenseits der Grenze und einen Lieferanten diesseits der Grenze gibt, mich nicht an den Lieferanten wenden können soll, so wie es eigentlich die normalen Schadenersatzregelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches ohnedies vorsehen. Es war bis jetzt eine Ausnahmeregelung, welche die Betreiber von Atomkraftwerken und die Zulieferanten von Atomkraftwerken, vor allem letztgenannte, privilegieren sollte. Der Punkt war der, daß man in den Ursprüngen sagte: Das ist eine neue Technologie, diese ist besonders zu schützen, und daher sollen die Zulieferanten nicht haften. Jetzt besteht für eine derartige Regelung überhaupt kein Anlaß mehr, genau das Gegenteil ist der Fall: Es sollen durch eine derartige Haftungsregelung auch die Zulieferanten von Bestandteilen wissen und einkalkulieren, daß sie jederzeit in Haftung genommen werden können.

Ich darf darauf verweisen – auch darüber wurde im Ausschuß diskutiert –, was passiert, wenn die Zulieferung nicht von Österreich, sondern etwa von Deutschland aus erfolgte. Es gilt im gesamteuropäischen Raum eine Konvention, eine Regelung – das Lugano-Abkommen – zur Durchsetzung von Urteilen, die hier erwirkt worden sind. Das heißt, daß ein in Österreich erwirktes Schadenersatzurteil auch innerhalb von Gesamt-Europa durchgesetzt werden kann. Es wird Aufgabe der Regierung sein, es wird unsere Aufgabe sein, dafür zu sorgen, daß dem Lugano-Abkommen nicht nur die europäischen, sondern darüber hinaus auch die angrenzenden Länder beitreten, weil wir dann auch das, was wir heute hier beschließen werden, in diesen Ländern im Rahmen eines Exekutionsverfahrens leichter werden umsetzen können und weil sich dann zeigen wird, daß der Weg, den wir heute hier zu beschreiten begonnen haben, der richtige für die Zukunft ist. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

12.11

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Gabriela Moser. 15 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

12.12

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrte Herren Minister! Meine Damen und Herren! Genauso verschlafen, wie momentan die Atomdebatte hier, in diesen Reihen, verläuft, genauso verschlafen verläuft unseres Erachtens auch die Politik der Regierung in Sachen Umsetzung bereits beschlossener Standards. Jetzt ist Halbzeit, jetzt gilt es, eine Zwischenabrechnung der Atompolitik unter Kanzler Klima anzustellen. Jetzt ist es Zeit, festzustellen: Wann war der Zenit erreicht, und wie ging dann der Abstieg vor sich, wie erfolgten dann die Abstriche?


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