Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 141. Sitzung / 72

großflächiger Art –, Erleichterung des Kausalitätsnachweises und der Auskunftsrechte des Geschädigten sowie Verschärfung der Versicherungspflichten. Vor allem aber wird – und das ist, wie zu Recht gesagt wurde, der eigentliche Kernpunkt der Neuregelung, von dem sich vieles konsequent ableitet – von der an internationalen Übereinkommen orientierten bisherigen Kanalisierung der Haftung abgegangen.

Der grenzüberschreitenden Dimension von nuklearen Unfällen trägt unser Vorschlag auch durch spezifische Regelungen über den Gerichtsstand und über das anzuwendende Recht Rechnung. Österreichische Geschädigte können sich daher in Zukunft aussuchen, ob sie ihre Ansprüche vor einem österreichischen oder vor einem ausländischen Gericht geltend machen. Damit steht ihnen quasi die Wahl zwischen dem österreichischen Recht und einem allenfalls günstigeren ausländischen Recht frei. Auch wenn die Durchsetzung österreichischer Urteile international derzeit auf gewisse Schwierigkeiten stoßen mag, sehe ich darin keinen Grund, die materiellen Ansprüche des Geschädigten überhaupt zu negieren.

Insgesamt meine ich, daß der Entwurf einen grundlegenden Wandel im Bereich der Atomhaftung vorsieht. Er trägt den unabwägbaren Risken der atomaren Energieerzeugung Rechnung, er stellt aber – anders als das geltende Atomhaftpflichtgesetz und auch anders als die internationalen Übereinkommen – den Geschädigten und die geschädigte Umwelt in den Vordergrund der Regelung. Damit trägt er zu einer bemerkenswerten Neugewichtung im Schadenersatzrecht bei, zu einer Umorientierung, die anderen Ländern ebenso wie der Staatengemeinschaft als Beispiel und Vorbild dienen kann.

Gerade auch wegen der grenzüberschreitenden Dimensionen von Atomunfällen haben wir es uns mit dem Reformvorhaben gewiß nicht leichtgemacht. Die Erläuterungen der Regierungsvorlage geben ein beredtes und von manchen kritisiertes Zeugnis dafür ab, daß alle Für und Wider der Reform eingehend bewertet worden sind.

Wenn sich der Nationalrat in Kenntnis aller dieser Argumente für die Neugestaltung des atomaren Haftungsrechts im Sinne der Regierungsvorlage ausspricht, dann ist das in erster Linie doch auch ein politisches Signal; ein Signal, das, wie wir hoffen, auch auf internationaler Ebene auf fruchtbaren Boden fallen und dort einen Anstoß zu einem Umdenken im nuklearen Haftungsrecht bieten wird. Für die Wirkung dieses Signals erscheint es mir nicht zuletzt auch wesentlich, daß der Nationalrat das neue Atomhaftungsgesetz – wie ja schon im Justizausschuß – auch heute einstimmig verabschiedet. – Danke vielmals. (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten der ÖVP und bei den Grünen.)

14.05

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Vielen Dank, Herr Bundesminister.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Gredler. – Bitte, Frau Abgeordnete.

14.05

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (Liberales Forum): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Es war mir eine Ehre, Ihnen lauschen zu dürfen und erst nachher zu Wort zu kommen, da Sie sehr stark auf die grenzüberschreitenden Auswirkungen von Atomkraftwerkdisastern Bezug genommen haben.

In diesem Zusammenhang möchte ich mich auf den Antrag Anschober beziehen, der heute mitbesprochen wird, betreffend Finanzierung der Kernkraftwerke durch die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung. Das war ein brennendes Problem, als ich im Europäischen Parlament war, weil die Ukraine eigentlich alle in Geiselhaft genommen und gesagt hat, sie sperrt das Kernkraftwerk Tschernobyl wieder auf, wenn keine Lösung für ihre energetischen Probleme gefunden wird. Und diese Lösung hat man seitens der Ukraine auch gleich vorgegeben: Sie sollte den Bau von zwei neuen Atomkraftwerken beinhalten, nämlich Rovno und Chemlnitzky, die dem Typ entsprechen, der an unserer Grenze zu finden ist. Wir waren ja schon sehr aktiv, um das Atomkraftwerk Mochovce zu verhindern.

Aber das, was mir wirklich mißfallen hat, ist, daß es ein G 7-Treffen gegeben hat, bei welchem beschlossen worden ist, daß die Europäische Union zur Finanzierung beizutragen hat, um diese


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