Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 141. Sitzung / 85

Ich unterbreche daher die Verhandlungen zum laufenden Tagesordnungspunkt 1 und komme zum Aufruf einer dringlich zu behandelnden Anfrage.

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Dr. Harald Ofner, Dr. Martin Graf, Herbert Scheibner und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend fortgesetzte Verletzung der Menschenrechte in der Tschechischen Republik und Slowenien (4950/J)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir gelangen zur dringlichen Behandlung der schriftlichen Anfrage 4950/J.

Da diese inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

"Der Europäische Rat in Kopenhagen (1993) hat als Voraussetzung für eine Mitgliedschaft in der Europäischen Union unter anderem institutionelle Stabilität als Garantie für demokratische und rechtsstaatliche Ordnung, für die Wahrung der Menschenrechte sowie die Achtung und den Schutz von Minderheiten festgelegt.

Der Europäische Rat in Luxemburg (12./13. Dezember 1997) hat beschlossen, im März 1998 auf Basis des Art. O EU-Vertrag bilaterale Regierungskonferenzen einzuberufen, um Verhandlungen mit Zypern, Ungarn, Polen, Estland, der Tschechischen Republik und Slowenien über die Bedingungen ihres Beitritts und die damit verbundene Anpassung der Verträge, auf denen die Union beruht, zu beginnen. Gleichzeitig hat der Europäische Rat betont, daß die Einhaltung der politischen Kriterien von Kopenhagen eine unabdingbare Voraussetzung für die Eröffnung von Beitrittsverhandlungen darstellen. Diese bilateralen Beitrittsverhandlungen mit den oben genannten Ländern wurden am 31. März 1998 eröffnet und derzeit findet das sog. ‚Acquis-screening‘ (Durchleuchtung des Rechtsbestandes) auf Beamtenebene statt.

Fortschritte im Erweiterungsprozeß zählen zu den Schwerpunkten des österreichischen EU-Ratsvorsitzes. Außenminister Dr. Schüssel kündigte im Juli diesen Jahres an, daß die ersten Verhandlungen mit den Beitrittskandidaten im November diesen Jahres beginnen würden, und bekräftigte seine Entschlossenheit, bei der Erweiterung von ‚symbolischen Anfängen‘ zu ‚konkreten Schritten‘ überzugehen (APA 8. Juli 1998). Dies bestätigte auch Bundeskanzler Mag. Klima (APA 14. Sept. 1998). Schließlich hat der Rat ‚Allgemeines‘ am 5. Oktober 1998 vereinbart, am 10. November konkrete Verhandlungen mit den sechs Bewerberländern der ersten Gruppe aufzunehmen.

Unabhängig davon, ob dieser Schritt, nämlich die Aufnahme substantieller Beitrittsverhandlungen, voreilig ist, wie dies die Anfragesteller aus einer Reihe von Gründen befinden, ist es Faktum, daß in Slowenien und in der Tschechischen Republik, die Einhaltung der politischen Kriterien von Kopenhagen, die vom Europäischen Rat als ‚eine unabdingbare Voraussetzung für Beitrittsverhandlungen‘ angesehen wurden, bislang nicht gewährleistet ist. In beiden Staaten gelten weiterhin menschenrechts- und völkerrechtswidrige Gesetze beziehungsweise Bestimmungen.

Slowenien verfügt, wie mittlerweile auch mehrfach wissenschaftlich nachgewiesen und festgestellt wurde, innerhalb seiner Grenzen über eine Minderheit, nämlich die Volksgruppe der Altösterreicher deutscher Muttersprache, denen keine spezifischen Volksgruppenrechte zukommen. Im Gegensatz dazu erkennt die slowenische Verfassung sehr wohl die Volksgruppen der Italiener und der Ungarn, in eingeschränktem Maße auch der Roma und Sinti an. Außerdem sind in Slowenien, anders als in Kroatien, nach wie vor die diskriminierenden AVNOJ-Bestimmungen (Beschlüsse von Jajce vom 29.11.1943 und Belgrad vom 21.11.1944) in Kraft. Durch diese Beschlüsse des ‚Antifaschistischen Rates der Volksbefreiung Jugoslawiens‘ erfolgte die ‚Aberkennung der Bürgerrechte und die gewaltsame Enteignung der deutschsprachigen Volksgruppe sowie ihre Degradierung zu recht- und besitzlosen, unerwünschten Nicht-mehr-Bürgern


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