Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 141. Sitzung / 86

des Staates‘ (Stefan Karner, Gutachten im Auftrag der Bundesregierung). Die Volksgruppe wurde damals de facto für ‚vogelfrei‘ erklärt. Auch in das Denationalisierungsgesetz vom 20. November 1991 sind die AVNOJ-Beschlüsse ‚eingebaut‘ worden.

Ebenso gibt es in der Tschechischen Republik eine Volksgruppe von Altösterreichern deutscher Muttersprache, die mindestens 60 000, nach manchen Schätzungen 200.000 Personen umfaßt. Auch dieser zahlenmäßig bedeutsamen Volksgruppe kommen keine spezifischen Rechte, wie sie etwa Österreich, Deutschland, die skandinavischen Länder, Ungarn und andere europäische Staaten gewähren, ja schlechthin überhaupt keine Rechte, zu.

Darüber hinaus stehen im EU-Beitrittskandidatenland Tschechien nach wie vor die sogenannten Beneš-Dekrete, mit menschen- und völkerrechtswidrigem Inhalt, aus den Jahren 1945 und 1946 in Kraft. Durch diese vom tschechoslowakischen Präsidenten Edvard Beneš erlassenen Dekrete wurde folgendes verfügt:

Dekret des Präsidenten der Republik vom 19. Mai 1945, Slg. Nr. 5, erklärt

‚Personen deutscher oder madjarischer Nationalität als staatlich unzuverlässige Personen‘. Es sind jedenfalls ‚als Personen deutscher oder madjarischer Nationalität Personen anzusehen, die sich bei irgendeiner Volkszählung seit dem Jahre 1929 zur deutschen oder madjarischen Nationalität bekannt haben ...‘

Dekret des Präsidenten der Republik vom 21. Juni 1945, Slg. Nr. 12, verfügt, daß

‚mit augenblicklicher Wirksamkeit und entschädigungslos ... für die Zwecke der Bodenreform das landwirtschaftliche Vermögen enteignet‘ wird, ‚das im Eigentum steht:

a) aller Personen deutscher und madjarischer Nationalität, ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit,‘ ...

Verfassungsdekret des Präsidenten der Republik vom 2. August 1945, Slg. Nr. 33, bestimmt, daß die

‚tschechoslowakischen Staatsbürger deutscher oder madjarischer Nationalität die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft verlieren ...‘

Dekret des Präsidenten der Republik vom 25. Oktober 1945, Slg. Nr. 108, bestimmt, daß

‚konfisziert wird ohne Entschädigung – soweit dies noch nicht geschehen ist – für die Tschechoslowakische Republik das unbewegliche und bewegliche Vermögen (wie Forderungen, Wertpapiere, Einlagen, immaterielle Rechte), das ... im Eigentum stand oder noch steht: ...

... physischer Personen deutscher oder madjarischer Nationalität ...‘

Schließlich normiert das Gesetz vom 8. Mai 1946, Slg. Nr. 115, daß

‚eine Handlung, die in der Zeit vom 30. September 1938 bis zum 28. Oktober 1945 vorgenommen wurde und deren Zweck es war, einen Beitrag zum Kampf um die Wiedergewinnung der Freiheit der Tschechen und Slowaken zu leisten, oder eine gerechte Vergeltung für Taten der Okkupanten oder ihrer Helfershelfer zum Ziele hatte, ... auch dann nicht widerrechtlich (ist), wenn sie sonst nach den geltenden Vorschriften strafbar gewesen wäre‘.

Das heißt, daß alle bis circa 6 Monate nach Kriegsende begangenen Verbrechen, auch Mord und Totschlag, per Gesetz nicht nur für straffrei, sondern auch für rechtmäßig erklärt wurden!

Die tschechische Regierung lehnt bis dato eine Aufhebung der Beneš-Dekrete kategorisch ab (APA, 19. Aug. 1998).

Es ist evident, daß diese Rechtsmaterien, nämlich die AVNOJ-Bestimmungen in Slowenien einerseits und die Beneš-Dekrete in der Tschechischen Republik andererseits, nicht nur den


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