Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 142. Sitzung / 53

der Arzt dies nun dem Jugendamt melden soll. Was heißt das? – Es ist die Verlagerung von einer Behörde an eine andere. Es ist schon richtig, daß viele Ärzte Probleme mit der Anzeigepflicht hatten, aber es kann doch nicht der richtige Ansatz sein, die Staatsanwaltschaft auszuschalten und das Jugendwohlfahrtsamt als Behörde einzusetzen, anstatt die Staatsanwaltschaft so zu reformieren, daß die Anzeige einer strafrechtlichen Handlung, wie Mißhandlung ganz einfach eine ist, weiter an die Staatsanwaltschaft erfolgen kann. (Abg. Mag. Barmüller: Aber die Ärzte beurteilen nicht die Strafwürdigkeit einer Handlung! Das gilt auch für Kindesmißbrauch!) – Wir können uns nachher darüber unterhalten.

Aber das ist nur ein Teil meiner Argumentation. Ein weiteres und wichtiges Argument ist folgendes: Was würden Sie machen, wenn es durch ein neues Gesetz eine neue Behörde gäbe, an die sich nun die zuständigen Ärzte wenden sollen? Ich frage einmal diese neue Behörde, ich frage das Jugendwohlfahrtsamt, ob es diese Aufgaben überhaupt übernehmen kann. (Abg. Mag. Barmüller: Was Sie jetzt erklären, ist leider falsch! Aber wenn es falsch ist, dann erklären Sie es nicht vor den Jugendlichen! Ein bißchen Sachkundigkeit wäre angebracht!) Wissen Sie, was dieses Jugendwohlfahrtsamt zu mir gesagt hat: Nein, es geht nicht, wir sind mit dieser Aufgabenstellung absolut überfordert! (Abg. Mag. Barmüller: Das mag schon stimmen, aber inhaltlich ist das ein Blödsinn!) Wir haben nicht das Personal, nicht die erforderliche Anzahl des Personals und nicht die dafür notwendige Qualität des Personals! Wir sehen uns da ja gar nicht hinaus! (Abg. Mag. Barmüller: Das merkt man! Sie sind der schlagende Beweis dafür, daß Sie sich nicht hinaussehen!)

Aber nicht nur das Jugendwohlfahrtsamt selbst hat diese Aussage gemacht, sondern auch – ich habe mir auch noch Stellungnahmen der einzelnen Landesregierungen zu diesem Gesetzestext angeschaut – folgende Landesregierungen haben sich gegen diese neue gesetzliche Bestimmung gewandt: die Landesregierung in Salzburg, die Landesregierung in Niederösterreich und die Landesregierung in Vorarlberg – mit genau derselben Argumentation: Es ist undurchführbar. Sie haben zuwenig Personal, sie können das nicht machen.

Was ist denn wirklich der Grund? – Ich kann doch nicht bei einer Kindesmißhandlung so wie bei einer Mandeloperation so lange auf einen Termin warten, bis das Kind vom Jugendwohlfahrtsamt angeschaut wird (Abg. Steibl: Wozu sind Sie dann Ärztin? Sie sind doch Ärztin, bitte!), sondern es muß zum gegebenen Zeitpunkt zur Stelle sein, es muß rund um die Uhr zur Stelle sein und es muß über das notwendige Personal verfügen. Das ist einfach nicht gegeben. Somit wird ein Gesetz geschaffen, das nicht umsetzbar ist, meine Damen und Herren und Jugendliche, die mir zuhören. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dagegen wenden wir uns, nicht gegen eine Verschlechterung der Situation der Jungen, nicht gegen eine strafrechtliche Verfolgung von Ärzten, sondern dagegen, daß das Gesetz ganz einfach nicht umsetzbar ist. Wissen Sie, was mit diesem Gesetz passiert ist – wie mit so vielen Gesetzen hier herinnen im Parlament? Es wurde schnell gemacht, um eines medialen Effekts willen, damit Sie sagen können: Wir haben das Ärztegesetz durchgebracht! – Aber es bietet keinerlei Impulse, es ist nicht umsetzbar, und entgegen aller – entgegen wirklich aller! – ständigen Argumentationen der Regierungsparteien, etwas für unsere Kinder zu tun, wird es wieder einmal auf dem Rücken dieser unserer Kinder ausgetragen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.20

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nunmehr erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Leiner das Wort. 10 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

11.20

Abgeordneter Dr. Günther Leiner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrter Herr Präsident der Ärztekammer! Meine Damen und Herren! Das Wesen der Demokratie ist eigentlich die Meinungsfreiheit und bei Beschlüssen das Prinzip der Mehrheit, und ich weiß nicht, warum immer von dieser Seite (in Richtung der Freiheitlichen) dieses Mehrheitsprinzip einfach angezweifelt oder verneint wird. Es ist ganz klar, daß es auch andere Meinungen gibt. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Auch unter den Ärzten gibt es unterschiedliche Meinungen, selbstverständlich. Oder gibt es bei euch keine anderen Meinun


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