Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 142. Sitzung / 65

Ich berichtige tatsächlich und zitiere hierzu den Text:

"Ergibt sich für den Arzt in Ausübung seines Berufes der Verdacht, daß 1. durch eine gerichtlich strafbare Handlung der Tod oder die Körperverletzung eines Menschen herbeigeführt oder 2. ein Minderjähriger oder sonst eine Person, die ihre Interessen nicht selbst wahrzunehmen vermag, mißhandelt, gequält, vernachlässigt oder sexuell mißbraucht worden ist, so ist er ermächtigt, hierüber persönlich Betroffenen oder Behörden oder öffentlichen Dienststellen Mitteilung zu machen, sofern das Interesse an dieser Meldung das Geheimhaltungsinteresse überwiegt."

Das heißt, er ist dazu ermächtigt, aber er muß es nicht tun. (Abg. Dr. Mertel: Ist das eine tatsächliche Berichtigung?)

Weiters wird ausgeführt, daß der Arzt im Fall eines persönlichen Vertrauensverhältnisses "die betroffene Person über bestehende anerkannte Opferschutzeinrichtungen zu informieren" hat.

Dann heißt es unter 6: "In den Fällen des Abs. 4 Z 2 hat der Arzt, sofern dies zur Verhinderung einer weiteren erheblichen Gefährdung des Wohls der betroffenen Person erforderlich ist, Meldung zu erstatten".

Das heißt, er hat nur dann Meldung zu erstatten – auch dem Jugendwohlfahrtsamt oder den Wohlfahrtsträgern –, wenn dies zur Verhinderung einer weiteren erheblichen Gefährdung des Wohls der betroffenen Person erforderlich ist (Abg. Dr. Mertel: "Typische" tatsächliche Berichtigung!), und nicht generell in jedem Fall, wie hier behauptet wurde. Nehmen Sie das zur Kenntnis! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.11

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt jetzt Frau Abgeordnete Reitsamer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

12.11

Abgeordnete Annemarie Reitsamer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren! Auch ich möchte mich nur mit diesem Punkt im Ärztegesetz beschäftigen, nämlich mit der Neuregelung der ärztlichen Verschwiegenheits- und Anzeigepflicht. Diese Neuregelung trägt einerseits der aktuellen, auf medizinischer wie auf juristischer Ebene geführten Diskussion Rechnung, wonach bei Verdacht der Mißhandlung dem Wohl betroffener Kinder und Jugendlicher durch Verständigung des zuständigen Wohlfahrtsträgers oftmals besser gedient ist als durch Anzeige an die Strafverfolgungsbehörden.

Was hat denn das bedeutet? – Ein Abschieben der Verantwortung und oft eine Beschwichtigung des eigenen schlechten Gewissens, zumal die Jugendwohlfahrtsträger anschließend Anzeige erstatten können, sofern eine solche Anzeige nicht den erforderlichen therapeutischen und psychosozialen Maßnahmen zuwiderläuft. Meine Damen und Herren! Dadurch erwarten wir uns ein wirksameres Vorgehen gegen jede Form von Gewalt in der Familie.

Zu dem Vorwurf der "F", wir würden wieder einmal die Täter schützen: Die Erfahrungen zeigen etwas ganz anderes. Im Gegenteil, das Netz wird dichter geknüpft! Es ist ja bekannt, daß 1993 der § 84 der Strafprozeßordnung neu geregelt wurde. Meine Damen und Herren, ich darf das in Erinnerung rufen: Amtliche Tätigkeiten, die auf einem persönlichen Vertrauensverhältnis beruhen – das betrifft Jugendämter, Sozial-, Familien-, Suchtgiftberatungsstellen, Bewährungshilfe, Lehrtätigkeit –, entbinden den Sachbearbeiter und seinen Vorgesetzten von der Anzeigepflicht. Damit soll auch dem Opferschutz – etwa dem Schutz eines sexuell mißbrauchten Kindes – gedient werden. Davon unberührt bleibt das diesem Personenbereich ebenso wie jedermann zustehende Anzeigerecht. Den betreffenden Organen obliegt damit die schwierige Abwägung zwischen den Interessen ihrer Klienten einerseits, dem allgemeinen Bedürfnis nach rechtlicher Sanktionierung verbotenen Tuns andererseits.

Meine Damen und Herren! Man hat hier jedenfalls erkannt, daß jede effektive Beratungs- und Betreuungstätigkeit eines persönlichen Vertrauensverhältnisses bedarf, und dieses Vertrauensverhältnis hat man quasi geschützt. Es ging und geht dabei um wichtige Einrichtungen des psychosozialen Feldes. Nicht zuletzt hat das Bundesministerium für Justiz in seiner Stellung


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