Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 142. Sitzung / 64

Es gibt Fälle, in denen Kinder mißhandelt wurden und die Eltern aus Angst vor einer Anzeige oft den Arzt gewechselt haben. Die verschiedenen Unfälle wurden so verschiedenen Ärzten bekannt, und die Gewalttat wurde dadurch vertuscht. Die geplante Änderung im Ärztegesetz sieht nun vor, daß es nicht mehr automatisch zu einer Anzeige kommt, sondern eine automatische Verpflichtung gegenüber der Jugendwohlfahrt besteht.

Ich denke, daß der Entschließungsantrag von Maria Rauch-Kallat eine Ergänzung dazu ist. In diesem Antrag wird festgehalten, daß in dieser Richtung noch mehr getan werden muß. Die Jugendwohlfahrtsbehörde kann dann entscheiden, ob eine Anzeige erfolgen soll oder nicht. Die Erfahrungen der letzten vier Jahre haben gezeigt, daß das ein positiver und auch ein therapeutisch besserer Weg für diese Krisenfälle war.

Man muß meiner Meinung nach in diesem Zusammenhang aber auch ansprechen, daß sich nicht nur der Arzt der betroffenen Person an den Jugendwohlfahrtsbereich wenden muß, sondern daß auch wir vermehrt Augenmerk auf den Opferschutz legen müssen. Opferschutzeinrichtungen sind dazu da, daß sie in weiterer Folge – nach der Jugendwohlfahrt und in Zusammenarbeit mit dieser Einrichtung – ihre therapeutische Arbeit aufnehmen. Die Opferschutzeinrichtungen sind Einrichtungen, die auf der Basis des Sicherheitspolizeigesetzes vom Gewaltpräventionsbeirat im Innenministerium anerkannt wurden. Ob das Gewaltopfer diese Information annimmt und in der Folge die fachliche Hilfestellung in Anspruch nimmt, ist aber eine andere Frage.

Ich möchte an dieser Stelle auch aufzeigen, daß es in diesem Bereich noch große Defizite gibt. Meiner Ansicht nach bestehen zum einen noch zuwenig Opferschutzeinrichtungen, und zum anderen sind die existierenden Einrichtungen dieser Art nicht mit der speziellen Thematik von Gewalt an Kindern und Jugendlichen vertraut. So gibt es österreichweit nur sechs – Sie hören richtig: sechs Stück an der Zahl – anerkannte Opferschutzeinrichtungen. Drei davon befinden sich in Wien, jeweils eine in Graz, Linz und Innsbruck. In den übrigen Bundesländern existieren keine solchen anerkannten Einrichtungen. Ich denke, daß der Innenminister daher aufgerufen ist, zum Wohle der betroffenen Personen – speziell zum Wohle der Kinder – den Ausbau der Opferschutzeinrichtungen zu forcieren. (Beifall bei der ÖVP.) Das heißt, es müssen mehr Einrichtungen, die bisher schon mit Gewaltopfern gearbeitet haben, wie zum Beispiel Kinderschutzzentren, die exzellente Arbeit leisten, oder auch private psychologische und psychotherapeutische Institute als Opferschutzeinrichtungen anerkannt werden, und zwar österreichweit.

Ich möchte darauf hinweisen, daß die Novellierung des Ärztegesetzes auch einen Anlaß bieten kann, wiederum – und wir haben es schon sehr oft getan – über dieses Thema nachzudenken: das Thema Gewalt in der Familie, Gewalt an jungen Menschen. Das Ärztegesetz kann mit seiner Neuerung bezüglich der Melde- und Anzeigepflicht hoffentlich auch einen weiteren Schritt in Richtung Priorität für den Opferschutz setzen. (Beifall bei der ÖVP.)

Im Mittelpunkt aller Überlegungen muß das Wohl des Opfers stehen! – Wir stimmen dem Gesetz mit unserem ergänzenden Entschließungsantrag zu. (Beifall bei der ÖVP.)

12.09

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Dr. Salzl hat sich zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet. Herr Abgeordneter, bitte beginnen Sie mit dem Sachverhalt, den Sie berichtigen wollen, und stellen Sie diesem aber nur Ihre Version der Berichtigung gegenüber. – Bitte.

12.09

Abgeordneter Dr. Stefan Salzl (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Vorrednerin, Frau Abgeordnete Steibl, hat behauptet, daß, falls eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft nicht erfolgt oder nicht gemacht wird, auf alle Fälle eine Pflicht zur Anzeige bei der Jugendwohlfahrt besteht. – Das ist unrichtig!


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