Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 142. Sitzung / 74

Das sicherheitsbehördliche Ermittlungsverfahren ist derzeit bereits so weit fortgeschritten, daß ein Bericht in Form einer zusammenfassenden Sachverhaltsdarstellung voraussichtlich noch im Oktober 1998 zu erwarten ist. Anschließend werden gegen jene Personen, gegen die sich nach den Ermittlungsergebnissen ein konkreter Tatverdacht ergeben hat, die untersuchungsrichterlichen Erhebungsschritte beginnen können. Erst dann, wenn feststeht, welche Personen als Verdächtige zu vernehmen sind und welchen eine Zeugenrolle zukommt, ist eine präzise Abgrenzung der Wahrheitspflichten möglich, wie sie für das weitere Strafverfahren erforderlich ist.

Meine Damen und Herren! Die Justiz konnte bisher unbehindert und unbeeinträchtigt von äußeren Einflüssen an die Aufarbeitung dieses Unglücksgeschehens herangehen. Laut Bericht der Staatsanwaltschaft Leoben gab es bei ihr in Belangen der Sachbearbeitung weder Eingriffe oder Interventionen von vorgesetzten Dienststellen noch seitens anderer Behörden oder Ministerien. Die von Bundesminister Dr. Farnleitner in einem Zeitungsinterview erwähnte Intervention beim Justizminister betraf die am 24. Juli vormittags telefonisch an mich gestellte Frage, ob es im Hinblick auf möglichst unbehinderte Rettungsbemühungen sinnvoll sei, den Betriebsleiter zum damaligen Zeitpunkt zum Zweck einer voraussichtlich mehrstündigen Vernehmung von seiner Mitwirkung an den Bergungsversuchen abzuziehen. Ich habe diese Frage im wesentlichen dahin gehend beantwortet, daß der Zeitpunkt der Vernehmung doch auch aus kriminaltaktischer Sicht zu beurteilen sei, wozu ich mich außerstande sähe, da dies im Augenblick nur durch die mit den Ermittlungen beauftragte und auch die Vernehmungen durchführende Sicherheitsbehörde erfolgen könne. Wie Sie wissen, hat die Vernehmung mit Rücksicht auf die laufenden Versuche, die Verunglückten zu retten, tatsächlich erst zu einem späteren Zeitpunkt stattgefunden.

Meine Damen und Herren! Die Staatsanwaltschaft Leoben hat weiters mitgeteilt, daß keinerlei Hinweise dafür vorliegen, daß seitens der Bergbehörde oder der Werksleitung irgendwelche Versuche unternommen worden seien, Beweismaterial oder Unterlagen zu beseitigen oder zu unterdrücken. Vielmehr sei es innerhalb kürzester Zeit gelungen, alle vom Sachverständigen für die Untersuchung als relevant bezeichneten Unterlagen zu erhalten und zu sichten. Für strafprozessuale Zwangsmaßnahmen bestand daher bislang kein Erfordernis. Es gäbe derzeit keine Hinweise, wonach Verdunkelungshandlungen gesetzt worden wären. Haftgründe gäbe es bei keiner Person, die zum hypothetischen Verdächtigenkreis zählt. Sohin läßt der Umstand, daß derzeit noch gegen unbekannte Täter ermittelt wird, keinerlei Beeinträchtigung des Strafverfahrens befürchten.

Derzeit gäbe es auch keine Anhaltspunkte für eine vorsätzliche Straftat von Personen, deren Entscheidungen mit der Katastrophe in Lassing in Zusammenhang gebracht werden könnten. Die Subsumtion unter § 177 Strafgesetzbuch ist im übrigen nur eine erste rechtliche Beurteilung aufgrund des bisherigen Erkenntnisstandes und engt in keiner Weise die weiteren Erhebungen zur Frage des Verschuldensgrades ein.

Meine Damen und Herren! Ich darf Ihnen versichern, daß die Justiz auch weiterhin objektiv, zielgerichtet und ohne Verzögerungen arbeiten wird, und es kann davon ausgegangen werden, daß es zu einer Klärung der für das Strafverfahren erheblichen Umstände dieses so schrecklichen und menschlich tragischen Unglücksfalles kommen wird. – Soweit meine Unterrichtung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ sowie des Liberalen Forums.)

12.50

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich danke dem Herrn Bundesminister für Justiz für seine Ausführungen.

Es liegen zwei Wortmeldungen zur Geschäftsbehandlung vor. Die erste kommt von Frau Abgeordneter Dr. Schmidt. – Bitte.

12.50

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (Liberales Forum) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Wie bekannt ist, haben die Liberalen für die heutige Debatte auch eine Erklärung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten gefordert. Der Bundesminister war dazu nicht bereit. Er hat allerdings, über den Wunsch der Liberalen und von Klubobmann Khol weitergetragen, in Aussicht gestellt, wenigstens auf der Regierungsbank Platz zu nehmen.


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