Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 145. Sitzung / 104

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Volker Kier, Helmut Peter und PartnerInnen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Regierungspfusch bei Schwarzarbeit (5090/J)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich unterbreche nunmehr die Verhandlungen über die Tagesordnung, und wir gelangen zur dringlichen Behandlung der schriftlichen Anfrage 5090/J, da auch die Frau Bundesministerin bereits anwesend ist.

Da die Anfrage inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist und verteilt wurde, erübrigt sich deren Verlesung durch einen Schriftführer.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

"Die vergangenen Jahrzehnte waren in Österreich wie in allen Industriestaaten, abgesehen von rezessionsbedingten Unterbrechungen, gekennzeichnet von einer kontinuierlichen Verbesserung der volkswirtschaftlichen Lage, ablesbar an Indikatoren wie steigendem Bruttoinlandsprodukt, höherer Wertschöpfung, aber auch einem allgemein steigenden Wohlstand. Nachdem es bereits seit längerer Zeit an kritischen Überlegungen über die Folgen und Grenzen des Wachstums (vgl. Club of Rome 1972) in grundsätzlicher Hinsicht nicht gemangelt hat, stoßen die sozial- und wirtschaftspolitischen Konzepte der hochentwickelten Industriestaaten mittlerweile an die Grenzen ihrer Finanzier- und Leistbarkeit. In diesem Zusammenhang steht auch die international geführte Debatte über das Verhältnis von wirtschaftlicher Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit und den Aufgaben des Staates bezüglich einer maßvolleren Regulierung der sozialen Rahmenbedingungen: Dabei steht außer Streit, daß eine gerechtere Lastenverteilung bei der Finanzierung der staatlichen Aufgaben – Stichwort Entlastung des Faktors Arbeit – nicht nur wirtschaftliche und beschäftigungspolitisch positive Effekte nach sich zieht, sondern in der Folge auch den sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft nachhaltig sichert.

Eines der Kennzeichen westlicher Industriestaaten wie Österreich ist der hohe Anteil der Schattenwirtschaft am Bruttoinlandsprodukt (BIP). Experten sind sich einig, daß die hohen Steuern und Abgaben auf Arbeit und die zumindest teilweise daraus resultierende mangelnde Steuermoral die Hauptursachen für das Ausweichen von Produktions- und Dienstleistungen in den grauen Bereich sind. Daneben gehören eine Fülle von staatlichen Vorschriften und Regulierungsmaßnahmen zu den wichtigsten Motiven, warum Menschen schwarz arbeiten. Diese Ansicht teilt auch Wirtschaftsminister Hannes Farnleitner, wenn er in seiner Anfragebeantwortung 2138/AB davon spricht, daß der hohe Anteil der Schattenwirtschaft am BIP einen ,generell zu hohen Grad an Regulierungsdichte in einem Staat‘ anzeige. (Stichwort: unverändert rigides Berufsantrittsrecht in der Gewerbeordnung)

Die Flucht vor überbordenden gesetzlichen Bestimmungen findet in allen Bereichen des wirtschaftlichen Handelns statt: Es geht dabei nicht nur um den Unternehmer, der Aufträge "ohne Rechnung" erfüllt (wie der Entwurf suggeriert), sondern um Beschäftigte, die außerhalb der Dienstzeiten Leistungen erbringen, ,Neue Selbständige‘ oder potentiell geringfügig Beschäftigte, die den chaotischen neuen Sozialversicherungsbestimmungen und den damit verbundenen Kosten ausweichen (müssen), aber auch um Arbeitslose, die vom AMS nicht vermittelt werden, oder AusländerInnen, die zum Teil an rigorosen Gesetzeshürden scheitern.

Wenngleich Österreich unter den vergleichbaren OECD-Staaten noch keinen Spitzenplatz als ,Pfuscherparadies‘ einnimmt, so alarmiert doch die rasante Steigerung des Schattenwirtschafts-Anteils seit Beginn der 90er Jahre. Die von der Linzer Kepler-Universität veröffentlichten Zahlen sprechen denn auch von einer jährlichen Zunahme der Pfuscher-Quote am BIP in zweistelliger Prozentgröße. Laut Institutsvorstand Prof. Friedrich Schneider soll die Summe, die heuer österreichweit für Schwarzarbeiten ausgegeben wird, bereits 230 Milliarden Schilling betragen, womit fast die Zehn-Prozent-Marke am BIP erreicht würde: Laut Schneider soll der Pfusch-Anteil Mitte der siebziger Jahre noch zwei Prozent betragen haben. Selbst wenn man methodisch nicht vom sogenannten ,Bargeldansatz‘ ausgeht, sondern die Faktoranalyse (Kurt Kratena, Wifo) verwendet, ergäbe sich noch immer ein Wert von ca. fünf Prozent am BIP.


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