Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 145. Sitzung / 105

Eine derartige Entwicklung ist unbefriedigend in mehrerlei Hinsicht:

1. Schattenwirtschaft führt beim Fiskus zu Steuerausfällen (kolportierte 44 Milliarden Schilling an entgangener Mehrwertsteuer, 35 Milliarden Schilling an Einkommensteuerausfällen) sowie bei der Sozialversicherung zu Mindereinnahmen (18 Milliarden Schilling Ausfall für 1998).

2. Darüber hinaus ergeben sich eklatante Wettbewerbsnachteile für korrekt agierende Unternehmen, die Nichteinhaltung des Arbeitsrechts und kollektivvertraglicher Mindestlöhne untergräbt die Rechtsstaatlichkeit, führt zu ,Lohndumping‘ und gefährdet damit auch bestehende Arbeitsplätze. Ganze Berufszweige, wie private Kranken-, Alten- und Kinderbetreuung, aber auch Nachhilfeunterricht, sind aus dem legalen Arbeitsmarkt und den damit verbundenen sozialen und arbeitsrechtlichen Absicherungen nachgerade ausgesperrt.

3. Daher sind grundsätzlich Bemühungen zu begrüßen und zu forcieren, die die erheblichen negativen Folgen für Volkswirtschaft und Gesellschaft zu minimieren trachten.

Das Sozialministerium hat nunmehr einen Entwurf zur Begutachtung ausgesandt (Ende der Begutachtungsfrist war der 30. Oktober), der eine Reihe von Maßnahmen enthält, die die Abgeordneten des Liberalen Forums für rechtswidrig, schikanös und kontraproduktiv – und darüber hinaus bürokratievermehrend – erachten. Die beabsichtigte Ermächtigung der Zollbehörden, ohne Gerichtsbeschluß Haus-(Betriebstätten-)durchsuchungen, Beschlagnahmen oder Betriebssperren verhängen zu dürfen, bezeugt einen zumindest fragwürdigen Umgang mit verfassungs- und vor allem grund- und menschenrechtlichen Prinzipien (Staatsgrundgesetz 1867, Europäische Menschenrechtskonvention, Gesetz von 1862 zum Schutze des Hausrechts). Wie bereits durch die jüngsten Vorkommnisse im Zusammenhang mit Datenschutzverletzungen und Psychoscreenings durch das AMS Wien, wird hier neuerlich der Beweis erbracht, daß während der Amtsperiode dieser Koalitionsregierung die Fundamente des Rechtsstaates zunehmend an Wertigkeit verlieren. Nicht das Vorhandensein von Schwarzarbeit ,beeinträchtigt das Vertrauen der Bevölkerung in die Rechtsstaatlichkeit und in die Verwaltung‘, wie die Erläuternden Bemerkungen zum gegenständlichen Entwurf behaupten, sondern eine Gesetzgebung, die sich immer leichtfertiger über Grundrechte hinwegsetzt.

Weiters stellt der vorliegende Entwurf für ein ,Schwarzarbeitsgesetz‘ erneut die Unfähigkeit der Regierung unter Beweis, interministeriell und vernetzt zu arbeiten: Ein ausgewogenes Maßnahmenpaket hätte jedenfalls die Zusammenarbeit von Sozial-, Wirtschafts- und Finanzministerium erfordert. Daß dies hier erneut und wie so oft nicht geschehen ist, erhärtet den Eindruck, daß weder der Bundes- und Vizekanzler zu ihrer verfassungsgemäß vorgeschriebenen Koordinierungsfunktion der Ressorts imstande sind, noch die SPÖ-ÖVP-Koalition über ein ausreichendes Maß an fachlicher Kompetenz und politischem Veränderungswillen zum Wohle der Republik verfügt. Nicht zuletzt, um den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes nicht weiter zu schaden, erscheinen in diesem Lichte baldige Neuwahlen angebracht.

Die liberale Fraktion ist sich mit namhaften Fachleuten aus Wirtschafts- und Finanzkreisen einig, daß die im Entwurf vorgesehenen Maßnahmen unter Zuhilfenahme polizeistaatlicher und datenschutzwidriger Methoden in allererster Linie den Steuer- und Abgabendruck auf UnternehmerInnen wie Beschäftigte verstärken, ohne Antwort darauf zu geben, wie legal erbrachte Dienstleistungen für die KonsumentInnen überhaupt leistbar sein sollen. Wenn eine einzige Handwerker-Stunde heute zwischen 450 und 650 S kostet, muß der durchschnittliche Kunde (als unselbständig Beschäftigter) mit einem Bruttoverdienst von 1 000 S am Tag (netto 700 bis 800 S) ungefähr sechs Stunden gearbeitet haben, um sich diese Leistung kaufen zu können. Dieses Dilemma ist unter anderem der Arbeiterkammer wie auch dem Sozialressort bewußt, wenn die sogenannte Nachbarschaftshilfe aus der Geltung des Schwarzarbeitsgesetzes ausgenommen sein soll. So wird in der Wochenzeitung ,Falter‘ (Nr. 43/98) der Leiter der Abteilung Arbeitsmarkt der AK, Josef Wallner, zitiert: ,Am Land wäre es den meisten Leuten gar nicht möglich, ihre Häuser anders (als durch Pfusch, Anm.) zu bauen. Statt drei oder vier Millionen müßten sie dann zehn Millionen aufbringen.‘


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