der Nachvollziehbarkeit der Willensbildung und der möglichen Intervention für eine abweichende Willensbildung.
Wir kennen die Bestellungsvorgänge, deren Ablauf es im Ergebnis mit sich bringt, aus welchen 14 Mitgliedern sich der Verfassungsgerichtshof zusammensetzt. Die Richter des Verfassungsgerichtshofes werden einerseits von der Bundesregierung, andererseits vom Nationalrat sowie vom Bundesrat entsandt. Im Nationalrat und im Bundesrat haben naturgemäß diejenigen Parteien die Mehrheit, die auch die Regierung bilden. Das heißt, jegliche andere Einflußnahme auf die personelle Besetzung des Verfassungsgerichtshofes ist von vornherein ausgeschlossen. Dieser Bestellungsvorgang, der in der Bundesverfassung geregelt ist, hat dazu geführt, daß die Positionen der Richter des Verfassungsgerichtshofes ausschließlich politisch besetzt sind.
Sie wissen, daß der Präsident des Verfassungsgerichtshofes nicht stimmberechtigt ist. Nach der politischen Farbenlehre besteht dort die Situation, daß sich die Richter, die der ÖVP nahestehen oder ihr angehören, mit den Richtern, die der SPÖ nahestehen oder ihr angehören, die Waage halten, da der Präsident nicht stimmberechtigt ist.
Es handelt sich um einen sehr sensiblen Besetzungsvorgang. Die heutigen Koalitions- und Regierungsparteien sind darauf bedacht, dort ihre Einflußsphären zu sichern. Das ist überhaupt keine Frage. Daher sollte man nicht so tun, als ob der Verfassungsgerichtshof demokratisch – etwa nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz – besetzt würde. Statt dessen hat die große Koalition das Alleinbesetzungsrecht, und sie hat es seit dem Jahre 1945 immer gehabt. Der Verfassungsgerichtshof ist daher nicht nur seiner Aufgabe wegen auch ein politischer Gerichtshof, sondern auch wegen des Bestellungsvorgangs.
Das Hauptargument gegen die Einführung des Minderheitsvotums – des Votum separatum – besteht darin, daß Loyalitäten eingefordert werden. Das hat Professor Barfuß in seinem Redebeitrag in der Enquete meiner Ansicht nach sehr eindrucksvoll dargelegt, als er unter anderem sagte: In Österreich kennt jeder jeden.
Die Verfassungsrichter haben sich nach derzeitiger Gesetzeslage und Übung des Verfassungsgerichtshofes einem Hearing zu unterziehen. Meine Damen und Herren! Wer nun glaubt, daß die bessere Performance im Hearing, die Anzahl der wissenschaftlichen Publikationen oder – wenn ich an die Anwaltschaft denke – die Anzahl von erfolgreich beim Verfassungsgerichtshof eingebrachten Rechtsmitteln, daß also insgesamt die höhere fachliche Befähigung ausschlaggebend für die Entscheidung darüber ist, wer Mitglied des Verfassungsgerichtshofes wird – trotz des Hearings –, der ist allerdings naiv. Denn es ist überhaupt keine Frage, daß es Absprachen der beiden Regierungsparteien gibt und daß ganz dezidiert vereinbart beziehungsweise paktiert wird: Dieser Bewerber wird Mitglied des Verfassungsgerichtshofes. (Abg. Mag. Stadler: Das hat man Barfuß auch kaltschnäuzig ins Gesicht gesagt, als er sich beworben hat!)
Im Grunde ist es eine Frotzelei. Das gehört wirklich einmal öffentlich aufgezeigt, wenngleich ich mir dessen bewußt bin, daß das ein schwieriges Thema ist. Es ist eine Frotzelei! Diese Hearings ... (Abg. Dr. Kostelka: Was hat das mit dissenting opinions zu tun?) – Das versuche ich Ihnen ja zu erklären. (Abg. Dr. Kostelka: Das erzählen Sie uns später!) Aber offensichtlich können Sie diesen einfachen Argumenten nicht folgen. (Abg. Mag. Stadler: Michael, überfordere ihn nicht!) Sie können dem nicht folgen, wahrscheinlich sind Sie damit überfordert.
Es werden also die Loyalitäten eingefordert, wie Professor Barfuß es darlegte. Sie wollen natürlich nachvollziehen, wer welches Votum abgegeben hat. (Abg. Dr. Kostelka: Das weiß eh jeder!) Sie setzen sich für einen Kandidaten ein, schwören den Koalitionspartner darauf ein und fordern dann Loyalität in der Abstimmung. Das wollen Sie kontrollieren, um nichts anderes geht es Ihnen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist auch kein Zufall, daß diese Diskussion gerade jetzt so heftig geführt wird – alles selbstverständlich unter dem Deckmantel einer auf hohem Niveau stattfindenden Diskussion, einer Enquete unter internationaler Teilnahme. Das ist kein Zufall, sondern nichts anderes als der Versuch, damit den Verfassungsgerichtshof, der mitunter für Sie unliebsame Entscheidungen gefällt hat, zu disziplinieren. Um sonst gar nichts geht es