Dieses Gesetz ist aber nur notwendig, weil wir uns bis heute nicht dazu entschlossen haben, ernstlich anzuerkennen, daß auch psychotherapeutische Behandlung etwas ist, worauf Menschen einen Anspruch haben, seien sie nun Verbrechensopfer oder nicht. Hätten wir uns nämlich im Bereich des Sozialversicherungsrechtes entschlossen, Therapien dieser Art anders zu behandeln, und gäbe es befriedigende Vertragsverhältnisse zwischen Psychotherapeuten und Sozialversicherungsträgern, dann bräuchten wir diese Novelle nicht. Durch diese Novelle spalten wir sozusagen die Patientenschaft der Psychotherapeuten in zwei Gruppen auf: in solche, deren Anspruch wir anerkennen, weil sie Verbrechensopfer sind, und in solche, deren Anspruch wir nicht anerkennen – und zwar sozialversicherungsrechtlich meine ich das –, weil sie keine Verbrechensopfer sind. Das heißt, es gibt psychotherapeutischen Behandlungsbedarf, den wir anerkennen, und solchen, den wir nicht anerkennen. Das ist ein schwerer Konstruktionsfehler!
Das ändert nichts daran, daß es gut ist, wenn Verbrechensopfer diese Möglichkeiten bekommen. Sie sind vielleicht nicht ganz befriedigend gestaltet – Kollege Öllinger wird Anträge dazu stellen –, aber das ist sozusagen eine andere "Baustelle". Die "Hauptbaustelle" ist, daß wir es hier mit einem Systembruch zu tun haben, einem Systembruch im Anspruch von Patienten auf sozialversicherungsrechtlich gedeckte Behandlungen. Wir müßten eigentlich an dieser Schnittstelle im Bereich der Verbrechensopfer ein Defizit im Sozialversicherungsrecht reparieren, weil es halt besonders augenfällig ist, wenn Verbrechensopfer im Stich gelassen werden, und weil es hier einen zusätzlichen öffentlich-rechtlichen Anknüpfungspunkt für die Verbrechensopfer gibt – das räume ich Ihnen ein.
Nur: Im Prinzip – und das mag wohl ein Verdienst aus den frühen Kreisky-Jahren sein, Kollege Guggenberger, da Sie das Jahr 1972 zitiert haben – muß man sich folgende Frage stellen: Ist Verbrechensopferschutz eine Sozialmaterie im Sinne von Sozialversicherung, Fürsorgewesen und so weiter, oder ist das nicht eigentlich eher eine Justizmaterie im Sinne von: Wie gehen wir mit Verbrechensopfern um? Und wenn wir feststellen, daß es weite Bereiche gibt, die aufgrund dessen, daß wir ein ausgeprägtes Sozialversicherungswesen haben, keinen direkten Zuwendungsbedarf haben, weil eben körperlich verletzte Menschen im Krankenhaus behandelt werden aufgrund des Krankenversicherungsschutzes, den sie haben, und der Sozialversicherungsträger dann einen Regreßanspruch an den Täter hat, sodaß es keine direkten Unterstützungsprobleme beim Opfer gibt, dann heißt das nicht, daß es keine Justizfrage ist, wie man mit Verbrechensopfern umgeht.
Denn es gibt auch sonstige Ansprüche in diesem Feld, zum Beispiel die von der Kollegin Fekter in dieser Diskussion – unpassenderweise, sage ich – ausdrücklich thematisierte Frage des Schmerzensgeldes. Auch die Frage der Einbringlichmachung von Schadensersatzansprüchen in bestimmten Bereichen der Kriminalität ist so etwas, denn Schmerzensgeld ist ja nichts anderes als ein Schadenersatz für erlittenen Schmerz. Allein schon deswegen paßt das im übrigen in dieses Gesetz natürlich überhaupt nicht hinein. Aber was die Schadenersatzfrage bei Verbrechensopfern betrifft, die zu kurz kommen, weil sie zwar bei Gericht recht bekommen, aber die Täterschaft entweder flüchtig ist oder eben nicht über die notwendigen Mittel verfügt, um Schadenersatz zu leisten, diesen Solidaritätsausgleich müßte man in das Justizrecht hineinprojizieren und sich einmal darüber unterhalten: Wie halten wir es denn mit den Geldstrafen, die wir von Straftätern kassieren, die oft nennenswert hoch sind und die mit Akribie eingetrieben werden? Wäre das nicht auch ein Fundus für Solidaritätsausgleiche? Wenn dieselbe ÖVP, die hier dieses Schmerzensgeld eingefordert hat, sich merkwürdig verhält im Bereich des Täterausgleichs, der auch ein Element des Schadenersatzes ist, dann wäre das im Rahmen einer Justizdebatte zu debattieren.
Ich meine daher: Wir werden dieser Vorlage zustimmen, aber schweren Herzens, weil sie vom System her etwas zudeckt, was mangelhaft ist, nämlich den Umgang mit Patienten, die psychotherapeutischen Behandlungsbedarf haben.
Einem zweiten Bereich der jetzt unter einem verhandelten Punkte möchte ich mich noch kurz zuwenden, und zwar dem Bauarbeitenkoordinationsgesetz. Das Bauarbeitenkoordinationsgesetz stellt die Umsetzung einer EU-Richtlinie dar – wir sind diesbezüglich seit einigen Jahren säumig –, und es ist systemwidrig, sage ich einmal. Wir schaffen ein neues Gesetz, um eine