Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 149. Sitzung / 87

14.23

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es überrascht mich, daß Frau Bundesministerin Hostasch auf der Regierungsbank sitzt, nämlich daß sie alleine dort sitzt. Ich verstehe eigentlich nicht ganz, wieso die sozialdemokratische Fraktion derart schnell und derart leicht den Wirtschaftsminister aus seiner Verantwortung entlassen hat.

Herr Abgeordneter Nürnberger! Sie haben uns gesagt, daß die Ratifizierung des Abkommens natürlich im Zusammenhang mit Lassing steht. Ich frage Sie aber, warum nur eine Bundesministerin anwesend ist, die mit ihrer Anwesenheit natürlich auch die Verantwortung dafür zu tragen hat, daß nicht früher ratifiziert worden ist. Ich glaube nur, daß diese alleinige Verantwortung an die falsche Adresse geht.

Herr Abgeordneter Nürnberger! Dieses Abkommen ist auf der 82. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz im Frühjahr 1995 beschlossen worden. Bislang, vom Frühjahr 1995 bis in den Spätherbst 1998, war es nicht möglich, dieses Abkommen in Österreich zu ratifizieren. Die Frage, warum es nicht ratifiziert wurde, ist recht einfach zu beantworten: Die Bergbehörde und der Wirtschaftsminister haben dies nicht gewollt. Wörtlich heißt es im Bericht:

"Von den befragten Zentralstellen des Bundes vertrat die Oberste Bergbehörde die Auffassung, daß, soweit ihr Wirkungsbereich betroffen ist, bei einer teleologischen Interpretation das Übereinkommen und die Empfehlung dem Wesen nach als erfüllt anzusehen seien und keine besonderen Umsetzungsmaßnahmen erforderlich erschienen."

Das Zentral-Arbeitsinspektorat hat ursprünglich eine andere Auffassung vertreten, sich aber dann offenbar aus Koalitionsräson "weichklopfen" lassen – wie es immer der Fall ist.

Herr Abgeordneter Nürnberger! Frau Bundesministerin! In wie vielen Materien haben wir schon ähnliches erlebt, und zwar in Bereichen, in denen es um Leben, um Gesundheit geht? – Im Bereich des Bergrechtes handelt es sich um den Schutz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in Bergwerken. Wir haben aber auch bei der Promille-Regelung im Straßenverkehr erlebt, daß viele sterben mußten, bevor dieses Haus gehandelt hat, bevor die Sozialdemokratie endlich einmal zu ihrer ursprünglichen Meinung gestanden ist.

Frau Bundesministerin! Ich frage Sie, die Sie der Bundesregierung und dem Ministerrat angehören: Wie schaut es denn mit dem Waffengesetz aus? Wie viele Massaker braucht die Sozialdemokratie noch, bevor sie gegenüber der ÖVP Rückgrat zeigt? (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Mag. Barmüller.) Ich stelle Ihnen diese Frage in aller Form: Warum wird ein Abkommen aus dem Jahre 1995 erst jetzt beschlossen? Herr Nürnberger hat es uns richtig zur Kenntnis gebracht: Es ist jetzt müßig, darüber zu spekulieren, was gewesen wäre, wenn es zwei Fluchtwege in diesem Bergwerk gegeben hätte. Diese hätte Georg Hainzl gebraucht, und diese hätten die zehn anderen Bergleute vielleicht auch brauchen können. Es gab sie nicht, und es gibt sie auch nicht in anderen Bergwerken Österreichs.

Das Recht, die Arbeit niederzulegen, ohne den Lohnanspruch zu verlieren, weil bereits wochenlang in Lassing kleinere Unglücksfälle zu verzeichnen waren, von denen das ganze Dorf Lassing gewußt hat, konnte nicht in Anspruch genommen werden. Vielleicht hätte es den Betroffenen geholfen, wenn sie gewußt hätten, daß das Recht auf ihrer Seite gewesen wäre, daß sie ihre Arbeit hätten niederlegen können, ohne daß sie vor dem Konzern Rio Tinto, vor Luzenac und den Konzernbossen zittern hätten müssen und ohne daß ihre Familien Gefahr gelaufen wären, daß Armut über sie hereinbricht. Vielleicht hätte ihnen dies geholfen, aber politisch war der Wille dazu nicht da. Frau Bundesministerin – das ist Ihre Zuständigkeit –, das Zentral-Arbeitsinspektorat hat zuerst zwar festgestellt, daß die österreichische Rechtslage nicht dem ILO-Übereinkommen entspricht. Nach Verhandlungen der beteiligten Stellen konnte aber ein Großteil der Bedenken fallengelassen werden.

Frau Bundesministerin! Erzählen Sie uns doch bitte, warum diese Bedenken fallengelassen worden sind. Hat man die Arbeitnehmer in den Bergwerken fallengelassen? Was war es denn, warum man die Bedenken hat fallenlassen? – Daß der Arbeitnehmerschutz im Bereich der


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