Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 149. Sitzung / 114

Was gedenken Sie noch zu tun, um in der restlichen Zeit der Ratspräsidentschaft Österreichs im Zusammenhang mit dem Schutz der Bürgerrechte positiv aufzufallen, oder zumindest, wenn Ihnen das schon nicht am Herzen liegt, im Zusammenhang mit dem Schutz der wirtschaftlichen Interessen Österreichs und anderer EU-Staaten?

Sie müssen doch wissen, daß sich die Indizien verdichten, daß amerikanische Nachrichtendienste und Geheimdienste europäische Telekommunikationsnetze nicht nur benützen – das dürfen sie ja –, sondern abhören und anzapfen, und das nicht nur zur Terrorbekämpfung, was ja für sich genommen noch legitim wäre (Zwischenruf der Abg. Dr. Partik-Pablé), und nicht nur zur Anzapfung der Gespräche von Amnesty International, was bereits in keiner Weise legitim ist, und nicht nur zur Bespitzelung von Firmen, die in der Waffenproduktion oder im Waffenhandel tätig sind, nein, sondern vor allem auch für Industriespionage im großen Stil.

Ich berufe mich auf ein Dokument des Europäischen Parlaments, in dem – wiederum unter Zitierung international zugänglicher Quellen – behauptet wird, daß beispielsweise Gespräche zwischen Volkswagen und General Motors über gemeinsame Geschäftsbeziehungen abgehört wurden, daß sich Thompson-CSF, die französische Elektronikfirma, darüber beschwert, daß sie einen Auftrag in Brasilien in Höhe von eineinhalb Milliarden Dollar nicht bekommen habe, weil die Amerikaner die Details der Verhandlungen abgehört und an die Konkurrenz weitergegeben haben, oder daß Airbus Industry einen Vertrag in Höhe von 1 Milliarde Dollar aus ähnlichen Gründen nicht erhalten hat. – Das muß Ihnen doch zu denken geben, Herr Bundesminister, selbst wenn Ihnen die Bürgerrechte als solche gleichgültig sind.

Selbst wenn der eine oder andere der erwähnten Fälle nicht zutrifft oder nur die Hälfte davon stimmt, muß Ihnen das doch zu denken geben. Aber wir vermissen die einschlägigen Aktivitäten Ihrerseits auf EU-Ebene. Ganz zu schweigen davon, daß sich seit zwei Jahren, seit Anfang 1997, die Anzeichen und die Gerüchte verdichten und behauptet wird, daß die Europäische Union eine geheime Vereinbarung getroffen hat, um ein internationales Netz zum Abhören von Telefongesprächen einzurichten. – Ist das richtig, Herr Bundesminister, oder ist das falsch?

Was steht in der Vereinbarung ENFOPOL 112 10037/95 vom 25. Oktober 1995? Ist es wahr, daß diese Vereinbarung immer noch unter Verschluß gehalten wird? Wenn nein, geben Sie uns den Inhalt bekannt! Wenn ja, wieso?

Ist es wirklich das Ziel Ihrer Politik, das Ziel der Sozialdemokraten in Österreich – und nicht nur in Österreich, sondern innerhalb der Europäischen Union –, alle Polizeirechte auszuweiten, aber nicht parallel dazu die notwendigen Bürgerrechte, die Bürgerinformationsrechte und die entsprechenden Informationspflichten der Polizeibehörden und anderer Behörden zu installieren? (Beifall bei den Grünen.)

Herr Bundesminister! Ich komme zum Anfang zurück, zur Aussage von Ludwig Adamovich im Jahre 1970:

"Die wahre staatsrechtliche Struktur eines Gemeinwesens enthüllt sich in der Handhabung der Sicherheitspolizei. Hier finden sich die letzten Schlupfwinkel jener Staatsauffassung, die man mit dem Namen ,Polizeistaat‘ dem immer weiter an Boden gewinnenden rechtsstaatlichen Denken gegenübergestellt hat." 

Das wurde vor 28 Jahren gesagt. Ich frage mich, ob das aus heutiger Sicht nicht zu optimistisch gedacht war. Wir von den Grünen haben nicht den Eindruck, Herr Bundesminister, daß Sie – in der Redeweise Adamovichs – die letzten Schlupfwinkel des Polizeistaates verstopfen, daß Sie das im Dienste eines Rechtsstaates tun, der diesen Namen verdient.

Herr Bundesminister! Ganz im Gegenteil haben wir den Eindruck, daß Sie Schritt für Schritt, ob mit Absicht oder unabsichtlich, ob bewußt oder unbewußt, den alten Metternich wiederzubeleben versuchen. (Abg. Dr. Stummvoll: Ein Scherz!) Herr Bundesminister! Ich kann Ihnen nur sagen: Dieser Politik setzen die Grünen ihren erbitterten Widerstand entgegen! – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

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