Wir haben beim vorigen Tagesordnungspunkt über die neuen Forderungen und Erwartungen der Studierenden und ihrer Vertretung gesprochen. Wir haben davon gesprochen, daß es immer mehr Studierende gibt, die ihr Studium in Teilzeit- und Vollzeitberufstätigkeit absolvieren, und daß diese Studierenden, deren Zahl in einer steilen Kurve angestiegen ist, andere Vertretungsbedürfnisse haben als die traditionellen Vollstudierenden. Die genannten Studierenden sind zum Beispiel weniger an politiktheoretischen Diskussionen, hingegen viel mehr am Service, an der Modernisierung des Studienbetriebes sowie am erleichterten Zugang zu Forschungsprojekten interessiert. Sie erwarten sich Unterstützung in Fragen, die sie direkt angehen. Trotzdem sind diese Studierenden, die, wie ich glaube, die Mehrzahl ausmachen, keine ignoranten Unselbständigen in bezug auf Denken und Handeln, nicht grenzüberschreitungsunfähige Bürger von morgen.
Apropos Bürger: Die Studierendenvertreter sind doch Bürger, die sich zu Recht in ihre eigenen Angelegenheiten einmischen! Ich beobachte zum Beispiel am Standort Universität Wien mit zunehmender Sorge, daß sich viele Studierende in der letzten Zeit – offenbar insbesondere deshalb, weil das Gesetz nicht gerade ihr Ansinnen unterstützt hat – aus der studentischen Vertretung zurückziehen. Sie haben damit Kollegialorgane in die Situation gebracht, daß deren Beschlußfähigkeit gefährdet war beziehungsweise ist, und sie haben ihr faktisches Ausscheiden damit begründet, daß ihnen andere Dinge wichtiger sind, etwa Auslandsstudien, die Teilnahme an anderen Veranstaltungen oder eine andere Artikulation von Bedürfnissen. Ich meine daher, es ist sehr wichtig, daß wir heute beschließen, das Engagement von Studierenden zu berücksichtigen, und zwar erstens bei der Familienbeihilfe und zweitens durch die Anrechnung von bis zu vier Semesterstunden aus dem Wahlfächerbereich im Studienplan.
Ich denke, daß es wichtig ist, zu beobachten, welche Antworten auf welche Probleme gegeben werden. Wir müssen etwa auch den Satz ernst nehmen, den Peter Glotz kürzlich in Österreich im Rahmen der Tagung der Österreichischen Forschungsgemeinschaft gesagt hat – ich zi-tiere –:
"Auf die Explosion der Studentenzahlen hat die Politik falsch reagiert. Statt neuen Managementstrukturen kam Demokratisierung, die allzu oft" – und jetzt wird es spannend – "Bürokratisierung bedeutete." – Ende des Zitats.
Das sind die Worte des Gründungsrektors der Universität Erfurt. Ich finde, wir sollten sie ernst nehmen.
Es ist mir in diesem Zusammenhang auch sehr wichtig, für Dieter Lukesch eine Lanze zu brechen. Er hat weder jemanden verächtlich gemacht, noch sich einen europäischen Ethnien-Popanz aufgebaut, um sich dann seltsam aus der Schlinge ziehen zu wollen. Vielmehr hat er für einen europäischen Weg plädiert. Und wenn jetzt die These im Raum steht, daß der europäische Kreis zu eng ist und Kunststudenten dadurch nicht zu ihrem Recht kamen, dann haben wir jetzt Zeit, diese Thesen zu überprüfen, Entwicklungen zu beobachten und zu evaluieren, wie das neue Wort dafür heißt. Ich stimme ihm zu, wenn er sagt: Der europäische Horizont genügt, es gibt keinen Erweiterungsbedarf. Es ist daher wichtig, hier nicht in eine heißblütige politische Diskussion zu verfallen und damit Vorurteile zu verstärken, statt sie abzubauen.
Ich resümiere: Das ÖH-Gesetz ermöglicht effizientere Strukturen im Sinne dessen, daß sich junge Bürgerinnen und Bürger in ihre eigenen Angelegenheiten einmischen können. Es muß verpflichtend nur mehr drei Referate geben, die Anzahl der Mandatare wird reduziert, und es wird – wie das AG-Vertreter Trummer formuliert – "entsprechend der Hörerzahl die genaue Anzahl der Uni-Mandatare mittels einer Wurzelfunktion zu berechnen" sein. – Ich bin froh, daß wir so viele junge Menschen mit technischem und organisatorischem Know-how haben, die hiezu gute Vorschläge gemacht haben. Wir können diesem Gesetz zustimmen und werden seine Auswirkungen genau beobachten. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)
22.20
Präsident Dr. Heinz Fischer:
Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Gredler. – Bitte.