Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 150. Sitzung / 42

Ich verstehe wirklich nicht, wieso es dieses Minimum an humanitärer Hilfe nicht mit der größten Selbstverständlichkeit geben kann. Es gibt bei uns keine Gefahr, keine Bedrohung der inneren Ordnung, und wir befinden uns nicht in einer Situation wie damals, im Jahre 1956, als Österreich arm war und trotzdem 250 000 Menschen aus Ungarn herzlich aufgenommen hat. Die Relationen heute sind ganz, ganz anders, und wir wissen auch, daß die demographische Situation in Österreich es eher nahelegen würde, zu sagen: Bringt eure Kinder, und bringt sie bald!

Herr Bundesminister! Zum Fall der Familie S. in Reichenau an der Rax: Der Mann, Herr S., lebt seit 1991 legal in Österreich. Er arbeitet hier, hat ein ganz gutes Einkommen und eine große Wohnung. Seine Frau wollte schon lange nachkommen, aber die Quoten waren immer ausgeschöpft, sie konnte nicht kommen. Jetzt ist ihr Dorf dem Erdboden gleichgemacht, etliche ihrer Angehörigen sind umgekommen, aber die Frau hat es Gott sei Dank geschafft, nach Österreich, nach Reichenau an der Rax zu ihrem Mann zu kommen.

Und was ist ihr dort passiert, als sie schon glaubte, in Sicherheit zu sein? – Sie wurde mit Befehls- und Zwangsgewalt von der Wohnung ihres Mannes weggeholt, und zwar im Oktober 1998, als kein Mensch mehr behaupten konnte, daß irgend jemand den Kosovo nur deshalb verläßt, um seine ökonomische Situation zu verbessern. Das ist nicht der Fall! Diese Frau ist weggebracht worden. Sie hat zu verstehen gegeben, daß sie schwanger ist, man hat ihr nicht geglaubt, man hat sie gegen ihren Willen zwangsuntersucht. – Eine Frau in Österreich zwangsuntersucht! (Abg. Murauer: ... Schwangerschaftstest!) Dabei hat sich herausgestellt: Ja, sie ist schwanger! Das hat sie jetzt einstweilen – das hat ihr die Behörde mitgeteilt: einstweilen und aufgeschoben! – vor der Abschiebung gerettet, aber man hat ihr bereits mitgeteilt, daß sie, sobald das Kind geboren ist, gehen wird müssen! Dann wird sie gehen müssen!

Da Sie sich immer auf die Umfragen berufen: Ich weiß nicht, wie hoch der Prozentsatz der Bevölkerung in Österreich ist, der das für legitim hält. Meiner Überzeugung nach wird das eine verschwindende Minderheit sein, und nach der soll und kann und darf man sich nicht richten! (Beifall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Dieses Minimum an Rechtsstaatlichkeit, nämlich die Quote für diejenigen, denen man bisher den Zutritt verwehrt hat, zumindest aber für jene aus Kosova, zu erhöhen, ist, so glaube ich, nicht zuviel verlangt, und, Herr Bundesminister, eine Erklärung Ihrerseits dazu wäre angesagt.

Ein dritter Fall, der auch den Umgang mit Dokumenten und die Ernsthaftigkeit unseres Willens, Flüchtlinge zu schützen, betrifft, handelt ebenfalls von einem jungen Mann aus Kosova, der in Salzburg lebt. Dessen Identitätskarte, sein Personalausweis, wurde gleich an das restjugoslawische Innenministerium geschickt. Das ist jedenfalls nicht rechtsstaatlich, das ist jedenfalls unzulässig, denn eine Versendung von Dokumenten ist nirgendwo vorgesehen, und schon gar nicht bei Menschen, die aus Kosova kommen.

Herr Bundesminister! Ich habe all diese Fälle exemplarisch gebracht, und ich könnte Ihnen noch viel mehr nennen, denn ich gehe nicht davon aus, daß die Berichte der Caritas und von Amnesty International übertrieben sind! Sie wissen genauso gut wie ich, welch gute Arbeit die Caritas, welch gute Arbeit Amnesty International leistet: Es ist also nicht davon auszugehen, daß das Menschen sind, die die Unwahrheit sagen, die übertreiben.

Ich ersuche Sie, Herr Bundesminister, daher dringend: Handeln Sie es, bitte, nicht auf der Ebene ab, daß das vielleicht bedauerliche Einzelfälle seien, sondern setzen auch Sie als Sozialdemokrat sich dafür ein, daß wir von diesen Einzelfalldebatten wegkommen und uns darauf einigen können, daß Menschen, deren Leben gefährdet ist, deren Angehörige gefährdet sind, ein unteilbares Menschenrecht haben, das einzig und allein mit den Prinzipien des Rechtsstaates konform geht, und daß das von allen Behörden – die der inneren Sicherheit und der sozialen Verwaltung – kategorisch und prinzipiell und unabhängig von der Zahl der Betroffenen zu beachten ist. (Beifall bei den Grünen.)

11.10


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