Meine Damen und Herren! Ich will Sie aber auch ganz konkret – und ich meine damit wiederum nicht so sehr die sogenannten Sicherheitssprecher, sondern jene unter Ihnen, die sich trotzdem und Gott sei Dank immer wieder trauen, ihre Stimme im Sinne der Menschenrechte und der Humanität zu erheben – auf ein paar Fälle aufmerksam machen, die Sie vielleicht ohnehin schon kennen, aber über die wir nicht hinweggehen dürfen. (Abg. Kiss: Wir haben halt keinen Migrationssprecher in der ÖVP!) – Wir reden nicht über Migration, Herr Abgeordneter Kiss, wir reden über Flucht und Asyl! Das sind ganz andere Themen, und es ist einmal mehr illegitim, sie mit Migration zu vermischen. Dadurch werden Sie mit jenen verwechselbar, denen es nur um Polarisierung geht. (Beifall bei den Grünen.)
Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister! Ich gehe davon aus, daß die Regierungsparteien das im großen und ganzen nicht wollen. Nur, dann müssen Sie auch anders handeln und dürfen nicht von irgendwelchen goldenen Mittelwegen reden. Die gibt es nicht!
Ich spreche Sie auf den Fall Dogan Ipek an. Dogan Ipek, ein Kurde, lebt seit dem Jahre 1991 in Österreich. Nun wirft ihm die Türkei – ich weiß nicht, ob zu Recht oder zu Unrecht – vor, daß er vor etwa zehn Jahren, 1989, eine vorsätzliche Körperverletzung in der Türkei begangen habe. Ich weiß nicht, ob dieser Vorwurf stimmt, und ich bin außerstande, es zu überprüfen, aber ich weiß eines: daß diesen Kurden in der Türkei mit Sicherheit kein korrektes und kein rechtsstaatliches Verfahren erwartet.
Herr Bundesminister! Ich ersuche Sie um eine Äußerung dazu, ob es tatsächlich geplant ist – die entsprechenden Schritte wurden bereits ergriffen –, Dogan Ipek an die Türkei auszuliefern, obwohl wir wissen, wie es in türkischen Gefängnissen zugeht, und obwohl wir wissen – auch das Präsidium des Nationalrates weiß es, und der Besuch von Demirel in Österreich hat es erneut bestätigt –, daß die Frage der Menschenrechte, der Minderheitenrechte der Kurdinnen und Kurden dort nicht gesehen, nicht anerkannt und nicht verstanden wird.
Wenn besagter Dogan Ipek wirklich Straftaten begangen hat, dann soll ihm ein Prozeß gemacht werden, aber nicht in der Türkei, wo er vorher möglicherweise in die Hände von Folterknechten gelangt. Machen Sie ihm hier, in Österreich, den Prozeß, führen Sie ein Verfahren mit allen rechtsstaatlichen Kautelen durch! Aber die Auslieferung eines Kurden, der Asyl beantragt hat und dessen Verfahren noch nicht abgeschlossen ist, in die Türkei ist nicht rechtsstaatlich, ist unzulässig! (Beifall bei den Grünen.)
Diese immer wieder geübte Vorgangsweise wird auch dadurch deutlich, daß ganz Europa jetzt im Banne der Demonstrationen von Kurdinnen und Kurden steht, Demonstrationen, die nicht aus heiterem Himmel kommen. Auch für Personen, die sich Straftaten haben zuschulden kommen lassen, die ich nicht – niemals! – für politisch gerechtfertigt halte, gilt das rechtsstaatliche, das humanitäre Prinzip, daß ein Verfahren nicht dort durchgeführt werden kann, wo mit hoher Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen ist, daß die Menschenrechte nicht gewährleistet sind.
Ich erinnere die Abgeordneten dieses Hauses daran, daß es kurdische Abgeordnete sind – Frauen wie Leyla Zana –, die sich immer zur Gewaltfreiheit bekannt haben. Leyla Zana sitzt in einem türkischen Gefängnis, weil sie Kurdin ist und für die Rechte dieser Bevölkerungsgruppe eingetreten ist. – Ich als Abgeordnete eines europäischen Parlamentes erkläre hiermit von diesem Rednerpult aus meine Solidarität mit Leyla Zana, und ich fordere alle Abgeordneten auf, nichts unversucht zu lassen, sie und ihre Kolleginnen und Kollegen aus dem Gefängnis zu holen! (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)
Herr Bundesminister! Ich möchte Sie auf einen weiteren Fall ansprechen, zu dem mein Kollege Öllinger einen Entschließungsantrag einbringen wird. Er betrifft die Angehörigen von Kosovo-Albanerinnen und -Albanern. – Herr Bundesminister, ich frage Sie auch als Mensch: Wenn Ihre Familie im Ausland wäre, und dort, also in jenem Staat, in dem sie sich aufhalten, passiert etwas, das die Gesundheit und das Leben Ihrer Familie gefährdet, während Sie hier in Österreich sind: Wohin, glauben Sie, würden Ihre Angehörigen flüchten? – Wahrscheinlich zu Ihnen. – Nichts anderes tun die Menschen aus Kosova, nichts anderes!