Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 152. Sitzung / 18

machen? – Und siehe da, es funktioniert! Dort funktioniert auch die Nahversorgung besser als in anderen, sterbenden Straßenzügen, wo keine Eigeninitiative eingebracht wird.

Die Konkurrenz der Einkaufszentren, der -märkte wird es immer geben. Herr Bundesminister! Ich halte Ihre Bestimmung der 800-mē-Regelung für nichts anderes als eine Monopolisierung der jetzigen Anbieter. Ich halte sie für nicht marktkonform und daher für falsch.

Aber Nahversorger beantworten andere Bedürfnisse als die großen Einkaufstempel! Sie haben andere, spezifische, regional definierte Kundenwünsche zu befriedigen und sind sehr stark emotional in ihrer Gegend verankert.

Meine Damen und Herren! Nachbarschaftsläden sind, rein betriebswirtschaftlich gesprochen, Deckungsbeitragssammler. Sie müssen ein Sortiment führen, das rein kundenorientiert ist, das vor allem regional, ja sogar lokal kundenorientiert ist. Das kann von Lebensmitteln über Hygienewaren, Drogeriewaren, Kurzwaren, über Fotoentwicklung, Trafikartikel, Lottoscheinannahme – eventuell auch Postanlaufstelle dort, wo sich Postämter nicht mehr rentieren – bis zu einer Integration in ein Gasthaus gehen!

Was dieses Hohe Haus mit der unsinnigen Zeltfesteregelung angerichtet hat, können Sie noch gar nicht abschätzen. Das sage ich nicht, weil ich Zeltfeste verbieten möchte. Zeltfeste sind dann gut, wenn Menschen hingehen. Aber daß Sie eine steuerliche Wettbewerbsungleichheit beschlossen haben – unter dem Druck der auf der Galerie sitzenden Feuerwehrhauptleute –, das ist ein großer Fehler gewesen.

Schaffen Sie eine klare Wettbewerbsgleichheit auch für das Nahversorgergasthaus im Flachland, das jetzt dank Ihres Beschlusses seine Deckungsbeiträge in den Sommermonaten von Mai bis September verliert und mit dem Umsatz von Oktober bis April nicht überleben kann!

Nahversorgung ist eine Vielzahl von Angeboten auf einem Raum – etwa im Nachbarschaftszentrum – zur Befriedigung der Wünsche der Kunden. Ansätze funktionieren dort, wo sie nicht verboten wurden, zum Beispiel in den Tankstellenshops.

Ich weiß schon: In den Tankstellenshops darf man bis 19.30 Uhr Cola und Milch kaufen. Nach 19.30 Uhr darf man zwar noch Cola, aber keine Milch mehr kaufen. – Das ist ja lächerlich! Da gehen Kontrollore herum und schreiben Anzeigen, weil die Frau Müller um 20 Uhr doch noch Milch statt Cola gekauft hat.

In den Tourismuszentren funktioniert die Nahversorgung. Aber ich frage Sie: Warum gewähren Sie nur unseren Gästen die Lebensqualität, dann einzukaufen, wann sie wollen? Warum gewähren Sie diese Lebensqualität nicht auch der heimischen Bevölkerung?!

Niemand muß, wenn er es nicht will, am Abend und am Sonn- und Feiertag arbeiten. Es stimmt nicht, daß unsere Gesellschaft nur aus Familien mit Kindern, alleinerziehenden Müttern und religionsorientierten Menschen besteht.

Nur 25 Prozent der Haushalte haben schulpflichtige Kinder, nur 15 Prozent der Menschen gehen am Sonntag in den Gottesdienst, und es gibt Gott sei Dank nur einen geringen Prozentsatz an alleinerziehenden Müttern. Geben wir all diesen Menschen die Möglichkeit, am Sonn- und Feiertag nicht zu arbeiten! Aber lassen wir doch den anderen die Möglichkeit, diese Arbeitsleistung zu erbringen, wenn sie wollen.

Eine Spectra-Studie aus 1998 sagt, daß 44 Prozent der Menschen eine Flexibilisierung der Arbeitszeit für eine gute Sache halten, 17 Prozent wollen, daß die Sonntagsarbeit generell erlaubt wird, und 27 Prozent sagen: teils-teils. Das heißt doch nichts anderes als: Es gibt genug Menschen, die von sich aus während dieser Zeiten gemeinsam Kundenbedürfnisse befriedigen wollen und damit Beschäftigung sichern möchten. Es besteht also keineswegs die Notwendigkeit, die anderen zwei Drittel oder drei Viertel, die das nicht wollen, in diese Arbeitszeiten einzubeziehen.


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite