Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 152. Sitzung / 165

besetzenden Stellen ein gut Teil nicht mit Behinderten besetzt ist. Zweitens wäre dem Problem wahrscheinlich mit einer Erhöhung der Ausgleichstaxe besser beizukommen, weil drittens – und damit bin ich durchaus bei einigen Beispielen – viele, viele Betriebe, leider sehr viele im öffentlichen oder halböffentlichen Bereich, ihre Verpflichtung zur Einstellung behinderter Menschen nach wie vor nicht ernst nehmen – egal, ob das jetzt die Stadt Wien oder die Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft ist, ich möchte das sozusagen gleichmäßig aufteilen, oder ob es sich um den roten oder schwarzen Bankenbereich oder ob es sich um die Wirtschaftskammern handelt, die erhebliche Ausgleichstaxen zahlen müssen, oder auch ein bißchen der ÖGB. (Abg. Mag. Guggenberger: Der ÖGB bestimmt nicht!) Im Jahre 1996 waren es immerhin auch noch einige Schillinge, die der ÖGB zahlen mußte! (Zwischenruf der Abg. Silhavy.) Streiten wir nicht darum! (Abg. Dr. Mertel: Sagen wir ganz einfach die Wahrheit!)

Es bleiben da leider auch genügend Betriebe in der sozialdemokratischen Reichshälfte übrig! Die Stadt Wien hätte an und für sich auch die Funktion, in diesem Bereich vorbildlich tätig zu sein. In der Vergangenheit war man ja von Ihrer Seite stolz darauf, daß die Stadt Wien diese Funktion tatsächlich erfüllte. Nun erfüllt sie diese halt nicht mehr. Aber sei’s drum! (Zwischenruf des Abg. Mag. Guggenberger.)

Es ist egal, Herr Kollege Guggenberger, ob wir uns jetzt darüber einigen, daß die Ausgleichstaxe auf den Durchschnittslohn festgesetzt werden soll, so wie das unser Antrag vorsieht, oder ob wir zu einem anderen Modus kommen: Die Ausgleichstaxe müßte jedenfalls stark erhöht werden, um tatsächlich der fehlenden Verpflichtung der Unternehmen auch im öffentlichen Bereich einigermaßen gerecht zu werden.

Sicherlich gibt es gute Gründe, auch über die Ausgleichstaxe zu diskutieren. Wir dürfen jedoch nicht zulassen, daß, wie ich im Rahmen der Debatte über die Festlegung des Kündigungsschutzes festgestellt habe, die Behinderten selbst für ihre mangelnde Arbeitsfähigkeit beziehungsweise für die Tatsache, daß sie nicht arbeitsfähig sind und nicht vermittelt werden können, verantwortlich gemacht werden.

Ich meine, diese Novelle bringt tatsächlich einige, wenn auch nicht sehr bedeutende, aber doch positive Fortschritte. Ein Problem sehe ich in der Definition des Begriffs "begünstigter Behinderter". Denn es wird trotz der scheinbaren Erleichterungen für psychisch und geistig Behinderte dadurch, daß sich die Definition des "begünstigten Behinderten" am Begriff der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit festmacht, natürlich für diese Personengruppen extrem schwierig, jemals über diese Schwelle hineinzukommen. Es wurden zwar theoretisch Möglichkeiten eröffnet, gleichzeitig ist es für psychisch und geistig Behinderte aber nicht sehr einfach, diese Grenze tatsächlich zu erreichen.

Allein gegen die Tatsache, daß man sich bei derartigen Grenzen festmacht, um jemanden als Behinderten begünstigt beschäftigen zu können, spricht einiges. Es spricht nichts gegen die Verbesserungen in diesem Zusammenhang, es spricht jedoch viel gegen die Einstellung gegenüber Behinderten, die in dieser Gesellschaft nach wie vor eingenommen wird, und leider vor allem von seiten der Wirtschaft. Daß diese Einstellung nach wie vor vertreten wird, zeigt sich allein schon an der Tatsache, daß es im Jahre 1997 über 37 000 betroffene Behinderte gab, denn auf dem Arbeitsmarkt, wo man sich immer den Besten, Tüchtigsten und Fleißigsten aussucht, gehören die Behinderten immer zu den ersten Gruppen, die herausfallen.

Folgende Anmerkung noch: Die Umbenennung der "geschützten Werkstätten" in "integrative Betriebe" ist ein Etikettenschwindel, und zwar solange, als in den integrativen Betrieben nicht normale Menschen, und zwar nicht zu einem geringen Prozentsatz, sondern zu einem erheblichen Prozentsatz, beschäftigt sind. (Abg. Mag. Guggenberger: Das stimmt nicht!) Ich kann dich beruhigen, Kollege Guggenberger! Obwohl einige Punkte in diesem Entwurf der Novellierung nicht und einige schlecht gelöst sind, stimmen wir diesem zu, weil er immerhin einige kleine Verbesserungen bringt. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Gredler: Ich klatsche aus Solidarität, weil kein Abgeordneter von den Grünen hier ist!)

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