Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 154. Sitzung / 51

12.01

Abgeordneter Mag. Walter Guggenberger (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! – Entgegen meiner sonstigen Übung darf ich auch die Betroffenen auf der Galerie sehr herzlich im Hohen Hause willkommen heißen, und ich darf auch die beiden Gebärdendolmetscher ganz besonders willkommen heißen. Jeder, der Gebärdendolmetscher jemals bei ihrer Arbeit gesehen hat, kann feststellen, wie ungeheuer beeindruckend es ist, wie sie auch komplexe Sprachgebilde, komplexe Sachverhalte so übertragen, daß es die betroffenen gehörlosen Menschen verstehen können. Wer eines Beweises bedarf, wie wichtig Gebärdensprache ist, der braucht nur der Dame und dem Herrn hier in den nächsten Stunden zuzusehen; von ihnen wird dieser Beweis erbracht. Respekt und Wertschätzung für Sie beide! (Allgemeiner Beifall.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Unterschriften und Petitionen betreffend behinderte Menschen haben in diesem Haus schon mehrmals zu sehr wesentlichen gesetzgeberischen Maßnahmen geführt. So darf ich etwa daran erinnern, daß zu Beginn der neunziger Jahre der Österreichische Zivilinvalidenverband rund 60 000 Unterschriften gesammelt hat, um zu erreichen, daß eine Pflegevorsorge in Österreich eingeführt wird. Der Gesetzgeber hat diesen Wunsch beziehungsweise diese Forderung aufgegriffen, und Österreich war das erste Land Europas, in welchem ein Bundes-Pflegegeldgesetz beziehungsweise Landes-Pflegegeldgesetze eingeführt wurden. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Weiters wurden vor zwei Jahren 48 000 Unterschriften gesammelt und in Form einer Petition in diesem Haus eingebracht, um zu erreichen, daß ein Gleichstellungsgesetz geschaffen wird.

Außerdem haben wir im Juli letzten Jahres das Bundes-Verfassungsgesetz geändert: Wir haben dem Artikel 7 einen Artikel 7a hinzugefügt, in welchem es heißt: Niemand darf aufgrund seiner Behinderung benachteiligt werden.

Bund, Länder und Gemeinden bekennen sich dazu und sind bereit, Maßnahmen zu treffen, mit welchen Benachteiligungen behinderter Menschen im täglichen Leben vermieden werden können.

Jetzt liegt uns wieder eine Petition vor – eingebracht vom Abgeordneten Dr. Kier und unterstützt von den Behindertensprechern aller parlamentarischen Fraktionen dieses Hauses. Wir werden uns besonders bemühen, möglichst viele Punkte dieser Petition in die Tat umzusetzen, so wie es uns bei bisherigen Petitionen gelungen ist.

Es hat im Jahre 1993 erstmals eine Veranstaltung, nämlich eine Enquete zum Thema Gehörlosigkeit hier im Hohen Hause stattgefunden. Das war sozusagen eine Premiere, denn damals waren erstmals Gebärdendolmetscher hier im Hohen Hause zu sehen. In dieser Enquete ist ein Satz gefallen, an den ich mich noch gut erinnern kann und der mich sehr beeindruckt hat. Damals hat ein Teilnehmer dieser Enquete auf die Frage eines Laien gemeint: Blindheit muß doch das Schlimmste sein! Darauf hat ein anderer Teilnehmer dieser Enquete eingewendet: Blindheit trennt die Menschen von den Dingen; Sprach- und Gehörlosigkeit aber trennt die Menschen von den Menschen!

Deshalb meine ich, daß Sprach- und Gehörlosigkeit und somit von den Menschen getrennt zu sein, etwas ist, was man mit allen Mitteln bekämpfen muß. Aus diesem Grunde sind Gebärdensprache und andere Möglichkeiten der Kommunikation etwas ganz besonders Wichtiges. Das sollten wir besonders unterstützen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie der Abg. Mag. Stoisits.)

Vorletzte Woche wurde im Rahmen der Diskussion über das Behinderteneinstellungsgesetz darüber gesprochen, daß der Begriff "Behinderte" eigentlich unzutreffend ist, daß er nicht so recht paßt, weil er den ganzen Menschen anspricht. Die Amerikaner haben in ihrem Sprachschatz ein Wort, das besser paßt. Sie sagen: "people with special needs" – Menschen mit besonderen Bedürfnissen.


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite